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Liederlexikon

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You are here: Home Lieder Es waren zwei Königskinder Edition C: Verkürzte Erzählform 1807
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C. Ach, Mutter, liebe Mutter

(Verkürzte Erzählform 1807)


Text und Melodie: anonym

Scan der Editionsvorlage
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Die Königstochter.

1. "Ach, Mutter, liebe Mutter,
Mein Kopf thut mir so weh!
Ich wollte gern spatzieren
Wohl an die grüne See." –
 
2. "Ach Tochter, liebe Tochter,
Allein lass' ich dich nicht gehn;
Mit deinem ältsten Bruder
Sollst du spatzieren gehn." – |[S. 181]
 
3. "Ach Mutter, liebe Mutter,
Mein Bruder ist ein Kind;
Der schießt mir alle Vöglein,
Die in dem Walde sind." –
 
4. "Ach, Tochter, liebste Tochter,
Allein lass' ich dich nicht gehn;
Mit deiner jüngsten Schwester
Sollst du spatzieren gehn." –
 
5. "Ach, Mutter, liebste Mutter,
Meine Schwester ist ein Kind;
Die pflückt mir alle Blümlein,
Die auf dem Felde sind." –
 
6. Sie schlang sich um ihren Mantel,
Und ging wohl an die See;
Sie ging so lange spatzieren,
Sie muß den Fischer sehn.
 
7. "Ach, Fischer, guter Fischer,
Will[s]t du verdienen Lohn,
So greif' mir aus den Wellen
Einen reichen Königssohn." |[S. 182]
 
8. Der Fischer warf behende
Sein Netz wohl in den Strom:
"Sieh da, du liebe Jungfer,
Hast einen Königssohn!"
 
9. Sie nahm ihn in ihre Arme,
Sie küßte seinen Mund:
"Ach, Schätzchen, könnt'st du reden,
So wär' mein Herz gesund."
 
10. Was schwang sie von ihrem Halse?
Ein' Kette von Golde roth:
"Sieh da, du armer Fischer,
Kauf deinen Kindern Brod."
 
11. Was zog sie von ihrem Finger?
Einen Ring von Golde roth:
"Sieh da, du lieber Fischer,
Hast dein verdientes Lohn."
 
12. Sie schwang sich um ihren Mantel,
Und sank wohl in die See:
"Gute Nacht, mein Vater und Mutter!
Ihr seht mich nun nicht mehr!" |[S. 183]
 
13. Da hört' man Glöcklein lauten,
Da hört' man Jammer und Noth:
Hier liegen zwei Königskinder,
Die sind alle beide todt.


Sammlung Deutscher Volkslieder, mit einem Anhange Flammländischer und Französischer, nebst Melodien. Herausgegeben durch [Johann Gustav Gottlieb] Büsching und [Friedrich Heinrich] von der Hagen. Berlin: Friedrich Braunes 1807, S. 180–183 (Nr. 72); sowie: Melodieen zu der Sammlung Deutscher, Flammländischer und Französischer Volkslieder hrsg. von Büsching und von der Hagen. Berlin: Friedrich Braunes [1807], S. 19 (Nr. 72).
DVA: V 1/1940


Editorische Anmerkung:
Die Aufzeichnung der Ballade stammt von Friedrich Heinrich Bothe, der bereits neun Jahre zuvor eine der frühesten Anthologien mit dem Titel "Volkslieder" (Berlin 1795) herausgebracht hatte. Sein 1804 veröffentlichter "Frühlings-Almanach" enthielt neben dem Balladentext (S. 225f.) auch ein Gedicht aus Bothes eigener Feder, das an deren Eingangsstrophe anknüpfte. Dabei legte er die Übernahme der "alten Volkslied"-Strophe offen und erklärte in einer Fußnoten dazu u. a.: "Verschiedene Gedichte […] fangen so oder ähnlich an, und man kann daraus auf das hohe Alter der Kopfschmerzen schliessen." (S. 64f.).
Büsching und von der Hagen übernahmen den Text (und den Titel "Die Königstochter") aus Bothes Almanach und erhielten von ihm handschriftlich auch die dazugehörende Melodie (siehe die Kommentierung des Liedes durch van der Hagen, ebd. S. 402; dort auch weitere Hinweise zur damaligen Liedüberlieferung).

Ebenfalls in DVM-Balladen, Bd. 1 (1935), Nr. 20 (Die Königskinder): Edition 4 (= Quelle Nr. 91), S. 199f.; dort auch ein Quellenüberblick zur Überlieferung der "Ach Mutter"-Form bis 1935 (S. 207).
Die früheste überlieferte Quelle der Ballade im 18. Jahrhundert entspricht der hier vorliegenden "Ach Mutter"-Form weitgehend. Sie findet sich in einem handschriftlichen Liederbuch aus Pommern, das Jochem Hinrich Beulcke aus Voigtshagen in den Jahren 1760–1764 angelegt hat (siehe DVA: A 191875). Beulcke war damals etwa 20 Jahre alt. Die meisten Abweichungen zu Bothes Version sind inhaltlich sekundär, beispielsweise
  • "Hertzen mutter" und "hertzen tochter" (statt "liebe Mutter" und "liebe Tochter", Str. 1 und 2)
  • "jüngsten Bruder" und "edler Fischer" (statt "ältesten Bruder" und "armer Fischer", Str. 2 und 10)
  • Strophenwiederholung (Str. 1 erneut als Str. 4) und –umstellung (Str. 9 als 12. Str.)
Deutlich abweichend ist einzig die Schlussstrophe, in der von toten Königskindern gar nicht die Rede ist, vielmehr lautet die 13. Strophe hier:

Sie nam ihn in den arm
Sie sanckt sich in den Seh
Da hört man klöcklein leutten
Da hört man Jammer und weh.
 
last modified 15.08.2013 01:31
 

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