F. Es waren zwei Königskinder
(Mündliche Überlieferung 1912)
Text und Melodie: anonym
1. | Es waren zwei Königskinder, | |
Die hatten einander so lieb, | ||
Sie konnten beisammen nicht kommen, | ||
Das Wasser war viel zu tief. | ||
2. | Ach Schätzchen könntest du schwimmen, | |
So schwimm doch herüber zu mir. | ||
Drei Kerzchen will ich anzünden | ||
Und die soll'n leuchten zu dir. | ||
3. | Das hört ein falsches Nönnchen, | |
Die tat, als wenn sie schlief, | ||
Sie tät die Kerzlein auslöschen, | ||
Der Jüngling ertrank so tief. | ||
4. | Es war an ein'm Sonntagmorgen, | |
Die Leut waren alle so froh, | ||
Nicht so die Königstochter, | ||
Ihre Augen sassen ihr zu. | ||
5. | Ach Mutter, herzliebste Mutter, | |
Der Kopf tut mir so weh, | ||
Ich möcht so gern spazieren | ||
Wohl an die grüne See. | ||
6. | Ach Tochter, herzliebste Tochter, | |
Allein, sollst du nicht gehen. | ||
Weck' auf deine jüngste Schwester | ||
Und die soll mit dir gehn. | ||
7. | Ach Mutter, herzliebste Mutter, | |
Meine Schwester ist noch ein Kind, | ||
Sie pflückt ja alle Blümlein, | ||
Die auf Grünhaide sind. | ||
8. | Ach Tochter, herzliebste Tochter, | |
Allein sollst du nicht gehen, | ||
Weck'auf deinen jüngsten Bruder, | ||
Und der soll mit dir gehn. | ||
9. | Ach Mutter, herzliebste Mutter, | |
Mein Bruder ist noch ein Kind, | ||
Er schiesst mir alle Vöglein, | ||
Die auf Grünhaide sind. | ||
10. | Die Mutter ging nach der Kirche, | |
Die Tochter hielt ihren Gang, | ||
Sie ging so lang spazieren, | ||
Bis sie den Fischer fand. | ||
11. | Ach Fischer, liebster Fischer, | |
Willst du verdienen gross Lohn, | ||
So wirf dein Netz ins Wasser, | ||
Und fisch mir den Königssohn. | ||
12. | Er warf das Netz ins Wasser, | |
Es ging bis auf den Grund, | ||
Der erste Fisch, den er fischet, | ||
Das war sich des Königsohn. | ||
13. | Sie fasst ihn in ihre Arme, | |
Und küsst seinen toten Mund, | ||
Ach Mündlein könntest du sprechen, | ||
So wär mein jung Herze gesund. | ||
14. | Was nahm sie von ihrem Haupte, | |
Eine güldene Königskron‘, | ||
Sieh da wohledler Fischer, | ||
Hast dein verdienter Lohn! | ||
15. | Was zog sie ab vom Finger, | |
Ein Ringlein von Gold so rot, | ||
Sieh da wohledler Fischer, | ||
Kauf deinen Kindern Brot. | ||
16. | Sie schwang um sich ihren Mantel | |
Und sprang wohl in die See, | ||
Gut Nacht, mein Vater und Mutter, | ||
Ihr seht mich nimmermehr. | ||
17. | Da hört' man Glöcklein läuten, | |
Da hört' man Jammer und Not, | ||
Hier liegen 2 Königskinder, | ||
Die sind alle beide tot. |
Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung, Zürich [1912].
DVA: A 28271
Editorische Anmerkung:
Die Liedaufzeichnung stammt aus dem Schweizerischen Volksliedarchiv (Nr. 12026). Die vorliegende Abschrift enthält in Takt 7/8 einen Schreibfehler in der Textunterlegung ("zu tief"), welcher in der obigen Edition korrigiert wurde. Diese Berichtigung korrespondiert auch der Edition dieser Quelle in DVM–Balladen, Bd. 1 (1935), Nr. 20 (Die Königskinder): Edition 5 (= Quelle Nr. 224), S. 200f.
last modified
15.08.2013 02:48