E. Wer nur den lieben Gott läßt walten
(Parodie aus Arbeiterliederbuch 1894)
Text: Max Kegel (1859–1902)
| Ermahnung | ||
Mel.: Schleswig-Holstein. | ||
| 1. | Wer nur den lieben Gott läßt walten | |
| Und zahlet Steuern allezeit, | ||
| Der wird sich wunderbar erhalten | ||
| Die Gunst der hohen Obrigkeit. | ||
| Man weist ihn nicht als Demokrat | ||
| In heil'ger Scheu hinaus zur Stadt. | ||
| 2. | Was hilft uns denn das Agitiren, | |
| Was hilft uns uns're Wühlerei | ||
| Wofür uns täglich chikaniren, | ||
| Die Herren von der Polizei. | ||
| Stets uns're Klage leer verhallt | ||
| Am Ohr der herrschenden Gewalt. | ||
| 3. | Man bleibe nur in Ehrfurcht stille | |
| Und rüge keinen Uebelstand, | ||
| Wenn man auch deren eine Fülle | ||
| Im heil'gen deutschen Reiche fand. | ||
| Er, der die Steuersummen zählt, | ||
| Der weiß, wie viel dem Volke fehlt. | ||
| 4. | Man kennt die rechten Ruhestörer | |
| Und giebt auf ihre Reden Acht, | ||
| Mit denen diese Freiheitslehrer | ||
| Den Staat fast in Gefahr gebracht; | ||
| Sie müssen, eh' wir's uns verseh'n, | ||
| Gar oft per Schub auf Reisen geh'n. | ||
| 5. | Denk' nicht, daß dir bei solcher Reise | |
| Freizügigkeit dein Recht verschafft, | ||
| Die Polizei nach alter Weise | ||
| Uebt ihres strengen Hausrechts Kraft | ||
| Sie ist's, die jeden deutschen Mann | ||
| Bestrafen und verweisen kann. | | [S. 65] | |
| 6. | Drum gehe stets auf Gottes Wegen | |
| Und thue Alles nur getreu, | ||
| Was man dir nur will auferlegen, | ||
| Wenn du auch hungern mußt dabei, | ||
| Dann weist dich des Gesetzes Wort | ||
| Nicht aus dem Polizeistaat fort. | ||
Arbeiter-Liederbuch. Eine Sammlung sozialdemokratischer Lieder und Deklamationen. 21., bedeutend vermehrte Aufl. New York 1894, S. 64f.
DVA: V 7/2939
Dort folgende Herkunftsangabe: "Max Kegel".
Editorische Anmerkung:
Der Liedtext stammt aus: Max Kegel's Sozialdemokratisches Liederbuch. 3. Aufl. Stuttgart 1891, S. 86f.
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22.07.2010 10:12