B. Wer nur den lieben Gott läßt walten
(Libretto Bach-Kantate 1724)
Text: Georg Neumark (Liedstrophen); unbekannter Verfasser und Redaktor
Musik: Johann Sebastian Bach (1685–1750)
1. | [Chorus] | |
Wer nur den lieben Gott läßt walten | ||
Und hoffet auf ihn allezeit, | ||
Den wird er wunderlich erhalten | ||
In allem Kreuz und Traurigkeit. | ||
Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut, | ||
Der hat auf keinen Sand gebaut. | ||
2. | [Recitativo] | |
Was helfen uns die schweren Sorgen? | ||
Sie drücken nur das Herz | ||
Mit Zentnerpein, | ||
Mit tausend Angst und Schmerz. | ||
Was hilft uns unser Weh und Ach? | ||
Es bringt nur bittres Ungemach. | ||
Was hilft es? daß wir alle Morgen | ||
Mit Seufzen von dem Schlaf aufstehn | ||
Und mit beträntem Angesicht | ||
Des Nachts zu Bette gehn? | ||
Wir machen unser Kreuz und Leid | ||
Durch bange Traurigkeit nur größer. | ||
Drum tut ein Christ viel besser, | ||
Er trägt sein Kreuz | ||
Mit christlicher Gelassenheit. | ||
3. | [Aria] | |
Man halte nur ein wenig stille, | ||
Wenn sich die Kreuzesstunde naht, | ||
Denn unsres Gottes Gnadenwille | ||
Verläßt uns nie mit Rat und Tat. | ||
Gott, der die Auserwählten kennt, | ||
Gott, der sich uns ein Vater nennt, | ||
Wird endlich allen Kummer wenden | ||
Und seinen Kindern Hilfe senden. | ||
4. | [Aria Duetto] | |
Er kennt die rechten Freudenstunden, | ||
Er weiß wohl, wenn es nützlich sei; | ||
Wenn er uns nur hat treu erfunden | ||
Und merket keine Heuchelei, | | [S. 479] | |
So kömmt Gott, eh wir uns versehn, | ||
Und lässet uns viel Guts geschehn. | ||
5. | [Recitativo] | |
Denk nicht in deiner Drangsalshitze, | ||
Wenn Blitz und Donner kracht | ||
Und dir ein schwüles Wetter bange macht, | ||
Daß du von Gott verlassen seist. | ||
Gott bleibt auch in der größten Not, | ||
Ja gar bis in den Tod | ||
Mit seiner Gnade bei den Seinen. | ||
Du darfst nicht meinen, | ||
Daß dieser Gott im Schoße sitze, | ||
Der täglich wie der reiche Mann | ||
In Lust und Freuden leben kann. | ||
Der sich mit stetem Glücke speist, | ||
Bei lauter guten Tagen, | ||
Muß oft zuletzt, | ||
Nachdem er sich an eitler Lust ergötzt, | ||
"Der Tod in Töpfen!" sagen. | ||
Die Folgezeit verändert viel! | ||
Hat Petrus gleich die ganze Nacht | ||
Mit leerer Arbeit zugebracht | ||
Und nichts gefangen: | ||
Auf Jesu Wort kann er noch einen Zug erlangen. | ||
Drum traue nur in Armut, Kreuz und Pein | ||
Auf deines Jesu Güte | ||
Mit gläubigem Gemüte. | ||
Nach Regen gibt er Sonnenschein | ||
Und setzet jeglichem sein Ziel. | ||
6. | [Aria] | |
Ich will auf den Herren schaun | ||
Und stets meinem Gott vertraun. | ||
Er ist der rechte Wundermann. | ||
Der die Reichen arm und bloß | ||
Und die Armen reich und groß | ||
Nach seinem Willen machen kann. | ||
7. | [Choral] | |
Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, | ||
Verricht das Deine nur getreu | ||
Und trau des Himmels reichem Segen, | ||
So wird er bei dir werden neu; | ||
Denn welcher seine Zuversicht | ||
Auf Gott setzt, den verläßt der nicht. |
Johann Sebastian Bach: Kantate "Wer nur den lieben Gott lässt walten". BWV 93. Zit. nach: Alfred Dürr: Die Kantaten von Johann Sebastian Bach mit ihren Texten. 6. Aufl. München u. a. 1995 (1. Aufl. 1971), S. 478f.
DVA: B 50177
Editorische Anmerkung:
Der Herausgeber Alfred Dürr macht zur Kantate folgende weitere Angaben: "Fünfter Sonntag nach Trinitatis. Epistel: 1. Petr. 3,8–15 (Heiliget Christum in euren Herzen). Evangelium: Luk. 5,1–11 (Der große Fischzug des Petrus)". Die Choralverse sind bei Dürr fett, in unserer Edition kursiv wiedergegeben.
Eine kritische Ausgabe der Kantatentexte von Bach liegt bisher nicht vor. Zur Musik vgl. Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Johann Sebastian Bach. Hrsg. vom Johann-Sebastian-Bach Institut Göttingen und vom Bach-Archiv Leipzig. Serie 1, Kantaten, Bd. 17,2. Hrsg. von Reinmar Emans. Leipzig 1993. Die Textwiedergabe bei Dürr orientiert sich an dieser Ausgabe.
last modified
08.07.2009 09:58