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Liederlexikon

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You are here: Home Lieder Leute höret die Geschichte (Robert Blum) Edition G: Politische Kontrafaktur 1936
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G. Denkt stets daran, marschierende Kolonnen

(Politische Kontrafaktur 1936)


Text: Otto Bruhn und Ernst Puchmüller (1897–1976)
 


Edgar-André-Marsch

1. Denkt stets daran, marschierende Kolonnen,
das rote Hamburg gab viel Opferblut.
Sein Freiheitssturm hat eine Welt gewonnen,
trotz Meuchelmord durch feige Henkersbrut.
 
2. Wer führte einst auf Hamburgs Barrikaden
die tapf're Schar entschlossen in den Kampf?
Wer stand bereit, die Knarre scharf geladen,
im Kugelregen und im Pulverdampf?
 
3. War es nicht Edgar André mit den Besten,
den Männern von Ernst Thälmanns Bataillon?
Er stand im Kampf und liebte keine Gesten,
er war der Freiheit allertreuster Sohn.
 
4. Faschisten sprachen ihn des Todes schuldig –
sie wollten Edgars Kopf um jeden Preis.
Die Mordgesellen wurden ungeduldig,
ihr Führer brauchte einen Machtbeweis.
 
5. Mundknebel, Fessel, Richtblock, braune Knechte,
mit diesem Rüstzeug stieg das Blutgericht,
sie schändeten bewußt die Menschenrechte,
Doch Edgar wollte ihre Gnade nicht.
 
6. So mordeten ihn die Faschistenhunde,
weil er die Welt vom Elend wollt' befrei'n,
drum schwuren wir in seiner Todesstunde:
Wir wollen so wie Edgar André sein.
 
7. Ihr Unterdrückte aller Nationen
erobert euch die Welt im Sturmesschritt.
Als Fahnenträger bei den Bataillonen
marschiert im Geiste Edgar André mit.


Einer von vielen. Genosse Puchmüller berichtet aus seinem Leben. Rostock 1958, S. 102.

Dort folgende Angabe zur Entstehung: "Verfaßt im November 1936, Zentrallazarett des Untersuchungsgefängnisses in Hamburg".


Editorische Anmerkung:
Die beiden letzten Verse des Textes ("Als Fahnenträger bei den Bataillonen / marschiert im Geiste Edgar André mit!") sind eine parodistische Anspielung auf das "Horst Wessel-Lied", wo es am Ende der ersten Strophe heißt: "Kam'raden, die Rotfront und Reaktion erschossen, Marschier'n im Geist in unser'n Reihen mit".
In seinen Erinnerungen berichtet Ernst Puchmüller von der Entstehung des Liedes: "Einige Tage darauf [nach der Hinrichtung Andrés am 4. November 1936] entstand, von dem Mitgefangenen Otto Bruhn und mir verfaßt, der Edgar-André-Marsch, und wieder einige Tage darauf kannten ihn schon viele politische Häftlinge. Sie sangen ihn in der Stille ihrer Zellen, gleichsam als Schwur, die Sache Edgar Andrés weiter zu verfechten und niemals nachzulassen im Kampf für eine bessere Zeit, für Menschlichkeit, für Sozialismus, für die er sein Leben gegeben hatte." Namentlich erinnert sich Puchmüller an seinen Zellengenossen Heinrich Wegener aus Kiel: "Es gab wohl kein Volkslied und kein Kampflied der Arbeiterklasse, das er nicht kannte. Er war auch ein Genosse, der den Edgar-André-Marsch auswendig lernte. Oft haben wir diese und andere Lieder leise gemeinsam in der Zelle gesungen, bis ein Wachtmeister, der lauschend hinter der Tür gestanden hatte, laut brüllend Ruhe gebot." Ernst Puchmüller: Mit beiden Augen. Ein Erinnerungsbuch. Rostock 1964, S. 151 und S. 187. (Zu Heinrich Wegener s. PDF mit Biographie unter
http://www.kiel.de/stolpersteine/dokumentation.php.)

1961 hat Ernst Puchmüller den Liedtext an das Arbeiterliedarchiv der DDR übermittelt, welches ihn ein Jahr später in dem von Inge Lammel und Günter Hofmeyer herausgegebenen Buch "Lieder aus den faschistischen Konzentrationslagern" (Leipzig 1962) veröffentlichte (S. 144f.).
Dabei erschien der Text erstmals mit der Melodie des Robert Blum-Liedes. Diese übernahm Lammel wiederum vom Druck des Blum-Liedes in den sozialistischen Liederbüchern der 1920er Jahre (s. Edition F); vgl. Inge Lammel, Peter Andert: Und weil der Mensch ein Mensch ist. Dortmund 1986, S. 251 (Nr. 168).
Über die Hintergründe des Liedes informierte die Ausgabe von Lammel/Hofmeyer wie folgt:
"Als Edgar André im November 1936 im Hamburger Untersuchungsgefängnis hingerichtet wurde, verfaßten zwei seiner mitgefangenen Genossen – die sich zu der Zeit im Zentrallazarett befanden — ihm zu Ehren den Edgar-André-Marsch, der später auch in anderen faschistischen Zuchthäusern und Gefängnissen Verbreitung fand. Den vorletzten Vers fügte Ernst Puchmüller ein Jahr später im Zuchthaus Oslebshausen hinzu." (S. 145)
Die Verbreitung des Edgar-André-Marschs war insgesamt sehr beschränkt. Ob das Lied in den Haftanstalten des NS-Staates "wirklich verbreitet und gesungen wurde, ist nicht bekannt", relativierte bereits Wolfgang Brekle: Schriftsteller im antifaschistischen Widerstand 1933–1945 in Deutschland. Berlin, Weimar 1985, S. 221. In Liederbüchern fand es nach 1962 kaum Verbreitung, auch nicht auf Tonträgern. Nennenswert ist lediglich folgende Aufnahme:
Chor des Erich-Weinert-Ensembles, Ltg. Hans-Joachim Bastian:
Auf: Lied-Wort-Dokument im deutschen antifaschistischen Widerstand 1933–1945. Berlin (DDR): Eterna 815097/98 [1979], Pl. 2, Track A 2 (= Seite 3, Nr. 30).
last modified 21.12.2011 11:42
 

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