Skip to content. Skip to navigation

Liederlexikon

Personal tools
You are here: Home Lieder Leute höret die Geschichte (Robert Blum) Edition A: Grundform, Ukraine 1927
Document Actions

A. Menschen kommt und höret die Geschichte

(Grundform, Ukraine 1927)


Text und Melodie: anonym

Scan der Editionsvorlage
 1

Robert Blum

1. Menschen kommt und höret die Geschichte,
Die da neulich in Berlin geschehn.
Robert Blum, der kühnste aller Ritter,
Mit Hab' und Gut soll er zu Grunde gehn.
 
2. Des Morgens, um die dritte Stunde,
Trat des Henkers Knecht zu ihm heran,
Flüstert ihm, bei hellem Mondenscheine,
Sein Todesurteil vom Gericht in's Ohr.
 
3. Des Morgens um die sechste Stunde
Oeffnet sich das Brandenburger Tor.
Auf dem Rücken beide Händ' geschlossen,
Trat Robert Blum mit stolzem Schritt hervor.
 
4. Ich frage [nicht] nach meinem Leben,
Frage auch nicht viel nach Geld und Gut,
Aber eins, das liegt mit schwer am Herzen,
Das ist mein vielgeliebtes Weib und Kind.
 
5. Den Brief, den gebet meinen Freunden,
Den Ring gebt meiner lieben Frau.
Und diese meine goldne Uhre,
Die gebet Alfred meinem kleinen Sohn.
 
6. Der erste Schuss traf seine Schläfe,
Der zweite seines Herzens Grund.
So erschoss man ihn den allertreusten,
Den allerkühnsten Robert Blum.


Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung in Kolonie Schöntal (Kreis Saporoschje / Ukraine) im Jahr 1927 durch Alfred Ström.
DVA: DVL – B 20, Nr. 2 (IRLI 104 – 2 – 132)
© IRLI RAN St. Petersburg, Publikation mit freundlicher Genehmigung


Editorische Anmerkung:
Strophe 4, Zeile 1: "nichts" in der Vorlage ist ein offenkundiger Tippfehler in der Abschrift.
Der Germanist Alfred Ström war ein Schüler und Kollege von Viktor Schirmunski und dessen frühester Mitarbeiter bei der Sammlung rußlanddeutscher Volkslieder für das von Schirmunski begründete "Deutsche Volksliedarchiv Leningrad" (DVL); dazu Eckhard John: Russlanddeutsches "Volkslied". Geschichte und Analyse seiner Konstruktion. In: Lied und populäre Kultur / Song and Popular Culture. Jahrbuch des Deutschen Volksliedarchivs 48 (2003), S. 133-161.
Schirmunskis Sammlung umfasst noch sechs weitere Aufzeichnungen dieses Liedes aus der Ukraine, wobei eine Einsendung von der Krim ausdrücklich vermerkt: das Lied "wird noch jetzt von der Jugend viel gesungen" (A 90691).
  DVL: DVA:
1926: Kol. Rybalsk (bei Jekaterinoslaw) B 20, Nr. 1 A 90690 und A 218434
1928: Kol. Keneges (Krim) B 20, Nr. 4 A 90691
1929:Kol. Schlangendorf ("Schwedengebiet") B 20, Nr. 3  
1930: Kol. Mariental (Kr. Odessa) B 20, Nr. 5  
1930: Kol. Marienfeld (Kr. Dnjepropetrowsk) B 20, Nr. 6  
1930: Kol. Billerfeld (Kr. Dnjepropetrowsk) B 20, Nr. 7  

Die verschiedenen Aufzeichnungen zeigen, dass der Liedtext unter den Rußlanddeutschen relativ stabil tradiert wurde. Viele Varianten gibt es lediglich bei der Eingangszeile:
-  O Leute kommt und höret die Geschichte (B 20, Nr. 1, Nr. 6 und Nr. 7)
-  Hört, Menschen, die Geschichte (B 20, Nr. 3 und Nr. 5)
-  Kommt, Leut, und höret die Geschichte (B 20, Nr. 4)
Nur unter rußlanddeutschen Aufzeichnungen finden sich allerdings Varianten, bei denen aus "Robert Blum, der kühnste" nunmehr "der Künstler" wird, z. B. in Strophe 1, Vers 3:
-  "Robert Blum, der Künstler aller Ritter" (Nr. 1, 4, 6, 7)
-  "... der Künstler allertreuste" (Nr. 3)
-  "... der Künstler aller Richter" (Nr. 5)
Die regionale Streuung und die kleinen Unterschiede der Versionen zeigen, dass dies kein individueller Hör- und Erinnerungsfehler war; so auch in Strophe 6, Vers 4:
-  "Den aller Künstler Ritter Robert Blum" (Nr. 1 und 6)
-  "Den Künstler aller Ritter, Robert Blum" (Nr. 7)
-  "Den treusten Künstler – Ritter Robert Blum" (Nr. 3)
-  "Den allertreusten Ritter Robert Blum" (Nr. 4)
-  "Den aber treusten Künstler Robert Blum" (Nr. 5)
Ansonsten unterscheiden sich die Varianten der Textüberlieferung nur in Details; erwähnenswert allenfalls noch in Strophe 3:
-  "Öffnet sich des Kerkers mächtiges Tor" (B 20, Nr. 3), statt "Brandenburger Tor",
oder in Strophe 5:
-  "Aber diese kleine goldne Börse" (B 20, Nr. 3), statt "meine goldne Uhre" oder
-  "meinem einzigen Sohn" (B 20, Nr. 3) und "jüngsten Sohn" (B 20 Nr. 5), statt "kleinen Sohn".

Schirmunskis früheste Aufzeichnung des Liedes 1926 in Kol. Rybalsk ist die einzige, die auch die Melodieüberlieferung dokumentierte:

Abbildung Notensatz


Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung in Kolonie Rybalsk (bei Jekaterinoslaw) durch Viktor Schirmunski am 14. September 1929; Gewährsperson: Elisabeth Spuling (ca. 25 J.).
DVA: DVL – U VIII (X), Nr. 3a und Nr. 5.
IRLI Phonogrammarchiv: DL 577.01 und DL 579, sowie Transkription auf Karteikarte, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von IRLI RAN, Sankt-Petersburg

Spätere Aufzeichnungen des Liedes bei Gewährspersonen rußlanddeutscher Provenienz bestätigen nicht nur die Verbreitung des Liedes unter ihnen; sie zeigen auch, dass die Melodie des Liedes dort ebenfalls recht stabil tradiert wurde; siehe:
-  1943: Umsiedler-Lager Marienbad (Herkunftsort: Halbstadt) – DVA: A 173478
-  1970: Bremen (Herkunftsort: Berestowo / Donezgebiet) – DVA: A 214000.
last modified 21.12.2011 10:59
 

nach oben | Impressum