C. Das war 'ne heiße Märzenzeit
(Umdichtung Ferdinand Freiligrath 1848)
Text: Ferdinand Freiligrath (1810–1876)
Trotz alledem! | ||
(Variirt.) | ||
1. | Das war 'ne heiße Märzenzeit, | |
Trotz Regen, Schnee und alledem! | ||
Nun aber, da es Blüthen schneit, | ||
Nun ist es kalt, trotz alledem! | ||
Trotz alledem und alledem, | ||
Trotz Wien, Berlin und alledem – | ||
Ein schnöder scharfer Winterwind | ||
Durchfröstelt uns trotz alledem! | ||
2. | Das ist der Wind der Reaktion | |
Mit Mehlthau, Reif und alledem! | ||
Das ist die Bourgeoisie am Thron – | ||
Der annoch steht, trotz alledem! | | [S. 66] | |
Trotz alledem und alledem, | ||
Trotz Blutschuld, Trug und alledem – | ||
Er steht noch und er hudelt uns | ||
Wie früher fast, trotz alledem! | ||
3. | Die Waffen, die der Sieg uns gab, | |
Der Sieg des Rechts trotz alledem, | ||
Die nimmt man sacht uns wieder ab, | ||
Sammt Kraut und Loth und alledem! | ||
Trotz alledem und alledem, | ||
Trotz Parlament und alledem – | ||
Wir werden unsre Büchsen los, | ||
Soldatenwild trotz alledem! | ||
4. | Doch sind wir frisch und wohlgemuth, | |
Und zagen nicht trotz alledem! | ||
In tiefer Brust des Zornes Gluth, | ||
Die hält uns warm trotz alledem! | ||
Trotz alledem und alledem, | ||
Es gilt uns gleich trotz alledem! | ||
Wir schütteln uns: Ein garst'ger Wind, | ||
Doch weiter nichts trotz alledem! | | [S. 67] | |
5. | Denn ob der Reichstag sich blamirt, | |
Professorhaft, trotz alledem! | ||
Und ob der Teufel reagirt | ||
Mit Huf und Horn und alledem – | ||
Trotz alledem und alledem, | ||
Trotz Dummheit, List und alledem, | ||
Wir wissen doch: die Menschlichkeit | ||
Behält den Sieg trotz alledem! | ||
6. | Und ob der Prinz zurück auch kehrt | |
Mit Hurrah hoch und alledem: – | ||
Sein Schwert ist ein zerbrochen Schwert, | ||
Ein ehrlos Schwert trotz alledem! | ||
Ja doch: trotz all- und alledem, | ||
Der Meinung Acht, trotz alledem, | ||
Die brach den Degen ihm entzwei | ||
Vor Gott und Welt, trotz alledem! | ||
7. | So füllt denn nur der Mörser Schlund | |
Mit Eisen, Blei und alledem: | ||
Wir halten aus auf unserm Grund, | ||
Wir wanken nicht trotz alledem! | | [S. 68] | |
Trotz alledem und alledem! | ||
Und macht ihr's gar, trotz alledem, | ||
Wie zu Neapel jener Schuft: | ||
Das hilft erst recht, trotz alledem! | ||
8. | Nur, was zerfällt, vertretet ihr! | |
Seid Kasten nur, trotz alledem! | ||
Wir sind das Volk, die Menschheit wir, | ||
Sind ewig drum, trotz alledem! | ||
Trotz alledem und alledem! | ||
So kommt denn an, trotz alledem! | ||
Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht – | ||
Unser die Welt trotz alledem! |
Ferdinand Freiligrath: Neuere politische und sociale Gedichte. Zweites Heft. Düsseldorf: Selbstverlag des Verfassers 1851, S. 65–68.
DVA: B 50290
Dort folgender Hinweis zur Datierung: "Düsseldorf, Anfang Juni 1848."
Editorische Anmerkung:
Strophe 3: Kraut und Loth, bedeutet: Pulver und Blei
last modified
28.11.2011 12:19