F. Es saß ein wildes Vögelein
(Protestlied Ost 1980)
Text: Reinhold Andert (*1944)
Melodie: nach dem Lied "Es saß ein klein wild Vögelein"
Wildvögelein | ||
1. | Es saß ein wildes Vögelein | |
in einem kleinen Gitter. | ||
Es sang nicht tags, es sang nicht nachts, | ||
sein Schweigen macht mich bitter. | ||
2. | So sing mir doch, mein Vögelein, | |
gab Saufen dir und Fressen, | ||
ein Wetzstein für den Schnabel und | ||
ein Spieglein fürs Vergessen. | ||
3. | Behalt dein Stein, dein Spiegelein, | |
du kannst mich nimmer zwingen. | ||
Wer nie als Vogel fliegen darf, | ||
der wird auch niemals singen. | ||
4. | So flieg hinaus, mein Vögelein, | |
rechts warten schon die Katzen | ||
und links, dein buntes Federkleid, | ||
zerfetzen dir die Spatzen. | ||
5. | So bleib bei mir, mein Vögelein, | |
ich träum uns einen Bauer, | ||
der Raum genug zum Fliegen hat, | ||
zum Singen und zur Trauer. |
Reinhold Andert: Wildvögelein. In: Ders.: Von ihm lerne singen und schweigen. Lieder und Texte. Berlin: Akademie der Künste der DDR 1989 (Aktiva. Aus der Arbeit des Liedzentrums der Akademie der Künste der DDR 6), S. 41.
DVA: V 12/40-6
© Reinhold Andert. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.
Editorische Anmerkungen:
Martin Mirsch (Liedermacher und Folk in der DDR, Teil 5: Die Liedermacher und die 80er Jahre. In: Folk-Michel 15 (1992), H. 2, S. 32) datiert die Umdichtung von Andert auf 1980. Mirsch gibt außerdem den Hinweis, dass Andert mit seinen Liedern "in Polit-Fettnäpfchen getreten" und 1980 aus der SED geworfen worden sei; im Anschluss habe man ihn mit einem Medien- und Auftrittsverbot belegt.
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28.03.2012 10:12