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Prinz Eugen, der edle Ritter


Das Prinz-Eugen-Lied besingt die Belagerung und Einnahme der Stadt Belgrad im Jahr 1717 durch den österreichischen Feldherrn Prinz Eugen Franz von Savoyen-Carignan. Die Ursprünge des Liedes liegen im Dunkeln. Im 19. und 20. Jahrhundert spielte es als Soldatenlied und im Zusammenhang mit nationalen und nationalistischen Bewegungen eine Rolle.

I. Als älteste Aufzeichnung des Liedes (Melodie und Text der ersten Strophe) gilt der Eintrag in ein handschriftliches Liederbuch, das unter dem Titel "Musicalische Rüstkammer auff der Harffe" unterschiedliche Lied- und Tanzsätze vereinigt. Das Buch wurde im Jahr 1719 begonnen, allerdings ist unsicher, ob der Eintrag des Prinz-Eugen-Liedes nicht erst später vorgenommen wurde (Edition A). Die Überlieferung, der Text sei von einem brandenburgischen Soldaten gedichtet, der unter dem Fürsten von Dessau im Heer Eugens diente, ist legendenhaft. Weitere Belege aus dem 18. Jahrhundert haben sich keine erhalten – mit einer Ausnahme: In einem handschriftlichen Liederheft aus Brienzwiler/Schweiz 1794/1797 ist das Lied in einer neunstrophigen Fassung wiedergegeben (Edition B).

II. Die Verbreitung in Gebrauchsliederbüchern beginnt mit dem Abdruck in der Sammlung "Deutsche Lieder für jung und alt" im Jahr 1818 (Edition C). Möglicherweise hing das neu erwachte Interesse an Prinz Eugen mit den Befreiungskriegen und der Schlacht von Waterloo (1815) zusammen, da der österreichische Heerführer um 1700 – zusammen mit England – mehrmals über französische Truppen obsiegt hatte. Weitere frühe Abdrucke finden sich in Kommersbüchern (Helmstädt und Leipzig 1822, Stuttgart 1823) sowie im "Liederbuch für deutsche Künstler" (Berlin 1833). Seit 1840 ist es in zahllosen Gebrauchsliederbüchern enthalten. Im 19. Jahrhundert wurde das Lied auch auf Flugschriften verbreitet. Auffallend ist dabei, dass das Prinz-Eugen-Lied zusammen mit anderen weltlichen Liedern dargeboten wird, also nicht in einem spezifisch militärischen oder politisch-historischen Kontext. Einige Flugschriften sind auch illustriert (vgl. Abb. 1 ).

III. Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich eine kuriose Debatte um die richtige Wiedergabe der Melodie entwickelt. Einige Forscher und Herausgeber wie Ludwig Erk und Andreas Kretzschmer (Edition D) plädierten für eine Wiedergabe im ungewöhnlichen, aber charakteristischen 5/4-Takt. Erk berief sich in seinem "Deutschen Liederhort" (Berlin 1856) dabei ausdrücklich auf den "Munde des Volkes". Andere hingegen, wie Gottfried Wilhelm Fink in seinem "Musikalischem Hausschatz" (Leipzig 1843), gingen von einem regelmäßigen 3/4-Takt oder einem 2/4-Takt aus. Eine mittlere Position vertrat etwa Friedrich Silcher, der die Melodie in einem wechselnden Takt (3/4-2/4) notierte. In einer solchen Fassung wurde die Melodie zu Beginn des 20. Jahrhundert auch im "Zupfgeigenhansl" verbreitet (Edition E).

IV. Es ist wenig verwunderlich, dass die Prinz-Eugen-Thematik beim Militär und in der Militärmusik eine große Rolle gespielt hat – nicht nur als Lied, sondern auch als Marsch. So haben die österreichischen Komponisten Andreas Leonhardt (1800–1866) und Josef Strauß (1827–1870) Prinz-Eugen-Märsche komponiert. Auf großes Interesse stieß das Prinz-Eugen-Lied im Ersten Weltkrieg, vor allem in Soldatenliederbüchern. Auch in der Zeit der Nazi-Diktatur war es weit verbreitet. Für den Rundfunk wurde 1941 sogar eine Fanfare geschaffen, die auf der Liedmelodie beruht. Für "besonders großartige und weittragende Erfolgsmeldungen", wie es in der zeitgenössischen Propaganda hieß (Zeitschrift "Reichsrundfunk", 1941/42, H. 3., S. 59), sollte eine ganze Liedstrophe "in feierlicher Form" erklingen. Zumindest indirekt gehört zur Wirkungsgeschichte des Liedes, dass die Nationalsozialisten ein Kriegsschiff und eine SS-Division "Prinz Eugen" nannten. Auch hier wurden die historischen Anlässe ("Türkenkriege") für aktuelle politisch-militärische Ziele missbraucht. Ebenfalls ist es kein Zufall, dass gerade in den Kriegsjahren 1941 und 1942 zwei wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Lied erschienen.

V. Die breite Wirkung des Liedes wird durch die hohe Anzahl von Parodien unterstrichen. Diese beziehen sich einerseits auf historische Personen, etwa auf den österreichischen Erzherzog Eugen (1863–1954). Dieser Text wurde auf einer Liedpostkarte vertrieben (vgl. Abb. 4). Andere Parodien besingen General Dufour und den schweizerischen Sonderbundskrieg 1847 oder aber "Prinz Wilhelm", der in einem Gedicht von Wilhelm Hauff (1802–1827) als edler Ritter vorgestellt wird. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren auch humoristische Verse im Umlauf, die das militärische Pathos konterkarieren (Edition F). Eine andere Form der Aneignung, Interpretation und Popularisierung stellen Liedillustrationen dar, sei es auf Flugschriften (Abb. 1), in Liederbüchern (Abb. 2) oder als Bildpostkarten (Abb. 3). Darüber hinaus wurden auf die Melodie von "Prinz Eugen" zahlreiche andere Liedtexte gesungen, darunter das 1845 von Adalbert Hanisch verfasste "Bürgerlied" ("Ob wir rote, gelbe Kragen").

VI. Das Prinz-Eugen-Lied wurde auch kunstmusikalisch und literarisch verarbeitet. Max Reger (1873–1917) etwa hat einen Chorsatz im 5/4-Takt komponiert. Popularisiert wurde dieser durch den Abdruck im sogenannten "Kaiserliederbuch" (Volksliederbuch für gemischten Chor, Leipzig 1914). Ferdinand Freiligrath (1810–1876) ist der Schöpfer eines Gedichts ("Zelte, Posten, Wer-da-Rufer!"), das die legendäre Entstehungsgeschichte des Liedes thematisiert. Vertont wurde dieser Text von Carl Loewe (1796–1869) als Klavierlied ("Prinz Eugen, der edle Ritter" op. 92). Im 20. Jahrhundert hat nicht nur Paul Hindemith Variationen über das Prinz-Eugen-Lied geschrieben (2. Satz seiner "Konzertmusik für Blasorchester" op. 41), sondern auch der Komponist und NS-Kulturpolitiker Paul Graener (op. 108, 1939).

VII. Die breite Rezeption des Liedes nimmt nach dem Zweiten Weltkrieg ab. Anstößig war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur der kriegerische Inhalt, sondern auch der Missbrauch des Liedes und der Prinz-Eugen-Thematik durch die Nationalsozialisten. In einzelnen Veröffentlichungen ist es dennoch enthalten, etwa in der Publikation "Das grüne Liederbuch" (hrsg. von Hugo Baumann), dessen Geschichte vom Jahr 1956 bis zur 15. Auflage im Jahr 2005 reicht. Diese Veröffentlichung macht zugleich deutlich, dass das Prinz-Eugen-Lied in der Gegenwart vornehmlich in ausgesprochen traditionellen, gesellschaftlich und politisch konservativen Kreisen (hier das Jagd- und Jäger-Milieu) Resonanz findet. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Tonträger-Veröffentlichungen der letzten Jahre. Sieht man von kunstmusikalischen Bearbeitungen ab (Loewe, Reger etc.) dominieren Platten mit Titeln wie "Heimat, deine Sterne. Der deutsche Soldatensender Oslo" (2005), "Das Original-Hoch- und Deutschmeister-Wunschkonzert" (1992/1974), "Erich Kunz singt deutsche Universitäts- und Volkslieder" (1991), oder – die nostalgische Grundhaltung zusammenfassend – "Die gute alte Zeit" (1980).

MICHAEL FISCHER
(Juni 2008)



Literatur
  • Bruno Buike: Monographie über die Schlacht bei Belgrad 1717 und das Lied vom Prinz Eugen. Ms. [1987].
  • Andreas Lutz: Das Prinz-Eugen-Lied und die Schlacht bei Belgrad (1717). Sonderdruck aus: Anzeiger der phil.-hist. Klasse der Akademie der Wissenschaften in Wien 12/13 (1942).
  • Helmut Oehler: Prinz Eugen in Volkslied und Flugschrift. Gießen 1941.

Editionen und Referenzwerke
Weiterführende Literatur
  • Bertrand Michael Buchmann: Türkenlieder zu den Türkenkriegen und besonders zur weiten Wiener Türkenbelagerung. Wien 1983.
  • Şenol Özyurt: Die Türkenlieder und das Türkenbild in der deutschen Volksüberlieferung vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. München 1972.


Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: zahlreiche Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: häufig auf Liedflugschriften, überaus häufig in Gebrauchsliederbüchern, sehr viele sonstige Rezeptionsbelege
  • Bild-Quellen: gelegentlich auf Liedpostkarten, zahlreiche Liedillustrationen
  • Tondokumente: zahlreiche Tonträger
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Darüber hinaus wurden auch (hinsichtlich der Tonträger) die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Michael Fischer: Prinz Eugen, der edle Ritter (2008). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/prinz_eugen_der_edle_ritter/>.


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last modified 16.10.2012 10:09
 

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