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Liederlexikon

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You are here: Home Lieder Immer langsam voran Edition G: Parodie Erich Mühsam 1905
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G. Wir essen Salat, ja wir essen Salat

(Parodie Erich Mühsam 1905)


Text: Erich Mühsam (1878–1934)
 


Der Gesang der Vegetarier.
Ein alkoholfreies Trinklied
(Mel.: "Immer langsam voran")
 
1.    Wir essen Salat, ja wir essen Salat
   Und essen Gemüse früh und spat.
   Auch Früchte gehören zu unsrer Diät.
   Was sonst noch wächst, wird alles verschmäht.
   Wir essen Salat, ja wir essen Salat
   Und essen Gemüse früh und spat.
 
2. Wir sonnen den Leib, ja wir sonnen den Leib,
   Das ist unser einziger Zeitvertreib.
   Doch manchmal spaddeln wir auch im Teich,
   Das kräftigt den Körper und wäscht ihn zugleich
   Wir sonnen den Leib und wir baden den Leib,
   Das ist unser einziger Zeitvertreib.
 
3. Wir hassen das Fleisch, ja wir hassen das Fleisch
   Und die Milch und die Eier und lieben keusch.
   Die Leichenfresser sind dumm und roh,
   Das Schweinevieh – das ist ebenso.
   Wir hassen das Fleisch, ja wir hassen das Fleisch
   Und die Milch und die Eier und lieben keusch.
 
4. Wir trinken keinen Sprit, nein wir trinken keinen Sprit,
   Denn der wirkt verderblich auf das Gemüt.
   Gemüse und Früchte sind flüssig genug,
   Drum trinken wir nichts und sind doch sehr klug,
   Wir trinken keinen Sprit, nein wir trinken keinen Sprit,
   Denn der wirkt verderblich auf das Gemüt. |[S. 28]
 
5. Wir rauchen nicht Taback, nein wir rauchen nicht Taback,
   Das tut nur das scheussliche Sündenpack.
   Wir setzen uns lieber auf das Gesäss
   Und leben gesund und naturgemäss.
   Wir rauchen nicht Taback, nein wir rauchen nicht Taback,
   Das tut nur das scheussliche Sündenpack.
 
6. Wir essen Salat, ja wir essen Salat
    Und essen Gemüse früh und spat.
    Und schimpft ihr den Vegetarier einen Tropf,
   So schmeissen wir euch eine Walnuss an den Kopf.
   Wir essen Salat, ja wir essen Salat
   Und essen Gemüse früh und spat.


Erich Mühsam: Ascona. Eine Broschüre. 2. Aufl. Locarno: Verlag von Birger Carlson 1905, S. 27f.
DVA: B 50329


Editorische Anmerkung:
Der mit lebensreformerischen Experimenten sympathisierende Schriftsteller Erich Mühsam beschreibt in der zitierten Broschüre Eindrücke von einem Besuch in Ascona und der dortigen "Sonderlings-Colonie" (S. 20) auf dem Monte Verità: "Die […] bedenklichste Erscheinung, von der […] der 'Monte Verità' heimgesucht wurde und wird, sind die ethischen Wegelagerer mit ihren spiritistischen, theosophischen, okkultistischen und potenziert vegetarischen Sparren. Wer je in Vereinigungen irgendwie absonderlicher Prägung hineingerochen hat, weiss was ich meine, kennt die schmachtäugigen Blassgesichter, die von morgens früh bis abends spät nur beflissen sind, in untadeligem Lebenswandel Leib und Seele im Gleichgewicht zu halten. Vegetarier sind diese Geister ja fast alle. Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. […] Wenn mir aber jemand mit allgemeinsittlichen Vorhaltungen kommt, mir 'Leichenfrass' vorwirft und sich als den höhern Menschen aufspielt, so wirkt er auf mich im höchsten Maasse lächerlich. […] An dieser Stelle mag die Wiedergabe eines Liedes am Platze sein, das mir jüngst in einer verbrecherischen Stunde entfuhr, und das den Vegetarier als Sammelbegriff vielleicht besser illustriert als eine weitschweifige Charakteristik" (S. 25f.) Es folgt "Gesang der Vegetarier" (s .o.). "Dieser Gesang soll übrigens nicht nur auf den 'Monte Verità' bezogen werden. Auch die im Ort [Ascona] selbst wohnenden Vegetarier werden hie und da Heimatklänge darin hören, und wer ihn mir am schwersten übel nimmt, der mag versichert sein, dass er am portraitähnlichsten darin photographiert ist" (S. 28). Vgl. auch Robert Landmann: Ascona – Monte Verità. Auf der Suche nach dem Paradies. Frauenfeld, Stuttgart, Wien 2000, S. 57–73 (Der Hort des "Vegetabilismus").
last modified 07.09.2011 10:16
 

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