C. Versöhner Gottes! was hast du verbrochen?
(Friedrich Gottlieb Klopstock 1773)
Text: Friedrich Gottlob Klopstock (1724–1803) nach Johann Heermann
Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen | ||
Die Gemeine. | ||
1. | Versöhner Gottes! was hast du verbrochen? | |
Dein Todesurtheil haben sie gesprochen? | ||
Ein Fluch gemacht sollst du am Kreuze sterben? | ||
Wie Sünder, sterben? | ||
2. | Gegeisselt wirst du, und zur Schmach gekrönet! | |
Ins Angesicht geschlagen und verhöhnet! | ||
Mit Finsterniß des Todes schon umschattet, | ||
Gehst du ermattet! | | [S. 190] | |
3. | Du trägst dein Kreuz hinauf zum Todeshügel! | |
Anbetend stehst du auf dem Todeshügel! | ||
Sie thuns! Du schwebst, gekreuzigt, dich entfärbend, | ||
Voll Wunden, sterbend! | ||
4. | Was ist die Ursach dieser deiner Plagen? | |
Ach unsre Sünden haben dich geschlagen! | ||
Wir, Gottversöhner, haben das verschuldet, | ||
Was du erduldet! | ||
5. | Wie wunderbar ist, Richter, deine Strafe! | |
Der gute Hirte leidet für die Schafe! | | [S. 191] | |
Die Schuld bezahlt der Mittler, der Gerechte, | ||
Für seine Knechte! | ||
Das Chor. | ||
Mel. O Traurigkeit, o Herzeleid etc. | ||
I. | Erni[e]drigter! | |
Erniedrigter! | ||
Du trägst der Erde Sünder! | ||
Laß uns, Mittler, im Gericht | ||
Gnade, Gnade finden! | ||
Die Gemeine. | ||
6. | Der Fromme stirbt, der recht und richtig wandelt! | |
Der Böse lebt, der wider Gott mishandelt! | | [S. 192] | |
Der Mensch verwirkt den Tod; wird nicht gerichtet! | ||
Gott wird gerichtet! | ||
7. | Ach unsre Seele war entstellt von Sünden, | |
Bis in ihr Innerstes nichts Guts zu finden! | ||
Das hätten wir, von Gott verworfen, müssen | ||
Auf ewig büssen! | ||
8. | O Liebe! Liebe! niemals auszusprechen! | |
Du willsts! An dir soll es der Rächer rächen! | ||
Wir lebten mit der Welt in ihren Freuden; | ||
Und du willst leiden! | | [S. 193] | |
9. | Geopferter! wer kann die Seligkeiten, | |
Die du uns gabst, mit vollem Dank ausbreiten? | ||
Herr, unsre Seel entschwingt sich ihren Schranken, | ||
Ringt, dir zu danken! | ||
10. | Sie kanns nicht! Es befält ein heilig Grauen, | |
Selbst Engel, wenn sie lüstet zu durchschauen, | ||
Daß der, der in des Vaters Schoße ruhte, | ||
Für Sünder blute! | ||
Das Chor. | ||
II. | Erniedrigter! | |
Erniedrigter! | | [S. 194] | |
Du trägst der Erde Sünden! Laß uns, | ||
Mittler, im Gericht | ||
Gnade, Gnade finden! | ||
Die Gemeine. | ||
11. | Du sagest selbst: Eins werde dir gefallen: | |
Wenn wir vor dir mit Busse niederfallen, | ||
Und unser Herz von neuem nicht entzünden, | ||
Mit alten Sünden! | ||
12. | Es ist, Versöhner, nicht in unsern Kräften, | |
Dem Kreuze die Begierden anzuheften! | ||
O send uns deinen Geist, der uns regiere! | ||
Zum Himmel führe! | ||
13. | Dann wollen wir mit vollem Dank betrachten, | |
Was du gethan hast! diese Welt nicht achten! | | [S. 195] | |
Wir wollen wachen, beten, deinen Willen | ||
Mit Freud erfüllen! | ||
14. | Dann wollen wir für dich, Herr, alles wagen! | |
Kein Kreuz nicht fürchten, keine Schmach noch Plagen! | ||
Nichts von Verfolgung, nichts von Todesschmerzen | ||
Wend unsre Herzen! | ||
15. | Dieß alles, obs für schlecht gleich ist zu achten; | |
Weil wir, ach sterblich, noch im Staube schmachten: | ||
Doch nimmst dus an! Du wirst uns dennoch geben | ||
Dein ewigs Leben! | | [S. 196] | |
Das Chor. | ||
III. | Erniedrigter! | |
Erniedrigter! | ||
Du trägst der Erde Sünden! | ||
Ja, du läßst uns im Gericht | ||
Gnade, Gnade finden! | ||
Die Gemeine. | ||
IV. | Erniedrigter! | |
Erniedrigter! | ||
Du trägst der Erde Sünden! | ||
Ja, du läßst uns im Gericht | ||
Gnade, Gnade finden! |
[Friedrich Gottlieb Klopstock:] Geistliche Lieder. Erster Theil. Kopenhagen, Leipzig 1773, S. 189–196.
DVA: L 2/7163
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08.07.2009 08:58