Skip to content. Skip to navigation

Liederlexikon

Personal tools
You are here: Home Lieder Gute Nacht, du Sündenleben Edition B: Melodieaufzeichnungen 1915-18
Document Actions

B. Gute Nacht, du Sündenleben

(Melodieaufzeichnungen 1915-18)

 

B 1. Gute Nacht, du Sündenleben (Wolgaregion)


Text und Melodie: anonym

Scan der Editionsvorlage
 1  2


 
 
1. Gude Nacht, du Sündenleben,
Gude Nacht, du falsche weld!
Dir wil ich den abschit geben,
Dieweil du Schlagest falsches Geld.
 
2. Das verflugte Geld auf erden
Ist die uhrsach meiner Schuld.
Keine Schult darf ich Euch geben,
Den ich hab Euch nicht gefolgt.
 
3. Kinder, folget Eire Eldern
Und nimt Euch Ein beispil dran,
Und dhutz vater und muter Ehren,
Auf das ihr draget rohm davon.
 
4. Lieber bruder, was du denkest,
Weil du mich verraden hast,
Über dir mus ich mich krenken
Und mus dragen Schwerre last.


Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung durch Georg Schünemann. Die Gewährsperson stammt aus der Kolonie Enders (Samara). Schünemanns Aufzeichnungen entstanden 1915-1918 in deutschen Kriegsgefangenenlagern. Ediert in: Georg Schünemann: Das Lied der deutschen Kolonisten in Russland. München 1923, Nr. 260, S. 292.
DVA: V 1/19725

Dort folgende Anmerkung zum Text: "Nach der Niederschrift des Kolonisten."

Außerdem vor der 3. sowie der 4. Strophe folgende Anmerkung zur Melodie: "Mel. von Vers [= Strophe] 2".
Zudem folgende Melodievarianten:



[* gemeint ist Strophe 2]


Editorische Anmerkung:
Der Text der ersten Strophe weicht in Noten- und Strophensatz in wenigen unerheblichen Details (Groß-/Kleinschreibung) voneinander ab.
Neben den Liedtext seiner Gewährsperson ließ Schünemann eine Übersetzung in orthographisch korrektem Hochdeutsch setzen:

  1. Gute Nacht, du Sündenleben,
    Gute Nacht, du falsche Welt!
    Dir will ich den Abschied geben,
    Dieweil du schlagest falsches Geld.
     
  2. Das verfluchte Geld auf Erden
    Ist die Ursach meiner Schuld.
    Keine Schuld darf ich Euch geben,
    Denn ich hab' Euch nicht gefolgt.
     
  3. Kinder, folget Euren Eltern,
    Und nehmt Euch ein Beispiel dran,
    Und tut's Vater und Mutter ehren,
    Auf daß Ihr traget Ruhm davon.
     
  4. Lieber Bruder, was du denkest,
    Weil du mich verraten hast,
    Über dir muß ich mich kränken
    Und muß tragen schwere Last.
 
 
 
 
 

B 2. Gute Nacht, du Sünderleben (Wolgaregion)


Text und Melodie: anonym

Scan der Editionsvorlage
 1  2




1. Gute Nacht, Du Sünderleben,
gute Nacht, Du falsche Welt!
Dir wil ich den abschied geben,
Die weil du schlachest1) Falsches gelt.
 
2. Das verfluchte gelt auf Erden
Ist die Ursach meiner schuld.
Keine schuld darf ich euch geben.
Den2) ich hab euch nicht gefolgt.
 
3. Folgt ihr kinder eure Eltern
Und nimt Euch ein beischpil3) draus
Und duht4) vater und muter ehren,
Auf das ihrs Traget wohl daran.
 
4. Hät5) ich in meiner Jugent Jahre
Liebe Eltern euch gefolgt ...
(Das Weitere vergessen.)


Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung durch Georg Schünemann. Die Gewährspersonen stammen aus den Kolonien Schulz und Reinwald (Samara). Schünemanns Aufzeichnungen entstanden 1915-1918 in deutschen Kriegsgefangenenlagern. Ediert in: Georg Schünemann: Das Lied der deutschen Kolonisten in Russland. München 1923, Nr. 261, S. 293.
DVA: V 1/19725

Dort folgende Anmerkung zum Text: "Nach der Niederschrift des Sängers."
Außerdem folgende Erläuterungen zu den Fußnoten:
1) schlagest.
2) Denn.
3) Beispiel.
4) tut.
5) Hätt'.


Editorische Anmerkung:
In seinem Kapitel über "Geschichte und kolonistische Kultur im Liede" gibt Schünemann die bei Erbes und Sinner (Volkslieder und Kinderreime aus den Wolgakolonien, Ssaratow 1914, s. Edition A) zu findenden Informationen, sowie Auskünfte seiner Gewährspersonen zur Entstehung des Liedes wieder:
"Von Falschmünzern, die in den sechziger Jahren in den Kolonien, besonders in Kolonie Balzer, ihr Spiel trieben, erzählt [dieses] Lied. Es wurden in dieser Zeit so viele falsche Rubelscheine in Umlauf gebracht und an die Kirgisen abgesetzt, daß man kaltlächelnd die Scheine wieder zurücknahm, sobald einer den Betrug merkte. Ein Falschmünzer, der von seinem Bruder bei der Polizei angezeigt wurde, wurde auf frischer Tat ertappt und nach Sibirien verbannt [zitiert nach Erbes]. Von ihm ist in diesem Lied die Rede. Aus der Kolonie Enders hörte ich eine Fassung (Nr. 260), die den Zusammenhang noch erkennen läßt, in den Kolonien Schulz und Reinwald (Nr. 261) war auch dieser schon verlorengegangen. Dabei erinnerten sich die Sänger nicht mehr der Grundlagen des Liedes. Sie brachten die Worte mit dem Abschied vom Sündenleben und mit dem Fluch, der am Gelde haftet, in Verbindung und bezeichneten das Ganze als geistliches Lied. So wurde aus einem Zeitbild ein geistliches Stück, das im Charakter von Gottesliedern kaum noch abweicht." (ebd., S. 18)
In Schünemanns Anmerkungen zu Lied Nr. 260–261 außerdem folgender Kommentar:
"Das nach Erbes in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstandene 'Lied vom falschen Geldschläger' erzählt von einem Falschmünzer, der von seinem Bruder angezeigt, auf frischer Tat betroffen und nach Sibirien geschickt wurde. [...] Die vollständigere Fassung aus Kolonie Hussenbach heißt bei Erbes: [hier folgt der dort abgedruckte Text, s. Edition A].
Eine Verwandtschaft scheint mit dem geistlichen Lied von Peter Schoen zu bestehen: 'Gute Nacht, du eitles Leben! Gute Nacht, du schnöde Welt! Ich will hie mein Herz erheben, wo sich nichts denn Freud' erhält. Gute Nacht, du Kreutzes Wust! Ich verlang nach Himmels-Lust.' ('Das andächtig singende und bethende Freyberg' mit einer Vorrede von Chr. Fr. Wilisch [1741] S. 1194 Nr. 1142.)" (ebd., S. 410)
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass als Liedvorlage der Choral "Gute Nacht, ihr eitlen Freuden, gute Nacht, du falsche Welt!" aus dem Wolga-Gesangbuch diente (Sammlung christlicher Lieder für die öffentliche und häusliche Andacht zum Gebrauch der deutschen evangelischen Kolonien an der Wolga, 24. Aufl., Dorpat 1914, Nr. 438). In evangelischen Gesangbüchern finden sich eine ganze Reihe Lieder, mit einem ähnlichen Eingangsvers (vgl. Johannes Zahn: Die Melodie der deutschen evangelischen Kirchenlieder. 5. Bd., Gütersloh: Bertelsmann 1892, S. 520). Dies ist jedoch Asta Christa Plänitz zufolge das einzige dieser Lieder, das auch im russlanddeutschen Kontext geläufig war (Die Liederhandschriften der Russlanddeutschen. Quellensammlung und Untersuchung. Marburg: Elwert 1995, S. 394). Im Wolga-Gesangbuch ist der Text ohne Melodie, jedoch mit dem Melodieverweis "Herr, ich habe mißgehandelt" abgedruckt.


Eine ähnliche Fassung wie die oben edierte, jedoch mit leicht variiertem Text findet sich in Viktor Schirmunskis Aufsatz über "Das kolonistische Lied in Rußland":

  1. Gute Nacht, ihr Kinderleben!
    Gute Nacht, du muntre Welt!
    Hier will ich den Abschied geben
    Weil du schlagest falsches Geld!

  2. O du verfluchtes Geld auf Erden!
    Du bist die Ursach meiner Schuld
    Keine Schuld darf ich euch geben
    Denn ich habe nicht gefolgt.

  3. Liebste Kinder, folgt euer Eltern
    Und nehmet euch ein Schauspiegel daran
    Ihr sollt Vater und Mutter ehren
    Daß ihr tragen Ruhm davon.

  4. Hätt ich in meinen Jugendjahren
    Liebste Eltern, euch gefolgt
    So bräucht ich nicht in Schimpf und Schand zu stehen
    Liebste Eltern, gute Nacht!

Aufgezeichnet "von einem Hungerflüchtigen aus Kolonie Mariental (Peter Schönberger)" durch Viktor Schirmunski, undatiert. Ediert in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 37/38 (1927/28), S. 182-215, dort S. 189f. In Schirmunskis Sammlung "Deutsches Volksliedarchiv Leningrad" ist diese Aufzeichnung nicht erhalten.
last modified 22.12.2010 12:35
 

nach oben | Impressum