B. Es wirbt ein schöner Knabe
(Wunderhorn 1806)
Text: Achim von Arnim (1781–1831)
Der verlorne Schwimmer | ||
1. | Es wirbt ein schöner Knabe | |
Da überm breiten See, | ||
Um eines Königs Tochter, | ||
Nach Leid geschah ihm Weh. | ||
2. | "Ach Knabe, lieber Buhle, | |
"Wie gern wär ich bey dir, | ||
"So fließen nun zwey Wasser | ||
"Wohl zwischen mir und dir. | ||
3. | "Das eine sind die Thränen, | |
"Das andre ist der See, | ||
"Es wird von meinen Thränen, | ||
"Wohl tiefer noch der See." | | [S. 237] | |
4. | Ja wie auf dem Pokale | |
Zum Spiel ein Lichtlein schwebt, | ||
Wenn es beim hohen Mahle, | ||
Auf Königs Wohlseyn geht. | ||
5. | So setzt sie auf das Wasser | |
Ein Licht auf leichtes Holz, | ||
Das treibet Wind und Wasser, | ||
Zu ihrem Buhlen stolz. | ||
6. | Als der es aufgefangen, | |
Er rief aus voller Brust: | ||
"Mein Stern ist aufgegangen, | ||
"Ich schiff ihm nach mit Lust." | ||
7. | Das Lichtlein auf den Händen, | |
Er schwamm zum Liebchen her, | ||
Wo mag er hin sich wenden, | ||
Ich seh sein Licht nicht mehr? | ||
8. | Liegt er in ihrem Schooße, | |
Sein Lichtlein wendet ab? | ||
Liegt er im Wasserschlosse, | ||
In einem nassen Grab? |
Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder. Hrsg. L. A. v. Arnim und Clemens Brentano. Heidelberg: Mohr und Zimmer, Frankfurt: J. C. B. Mohr 1806, S. 236f.
DVA: V 1/323, aa
Dort folgende Herkunftsangabe: "Mündlich".
Editorische Anmerkung:
Zur Autorschaft von Arnim siehe den Kommentar von Heinz Rölleke in der Historisch-kritischen Ausgabe von "Des Knaben Wunderhorn"; Rölleke/Wunderhorn 1975, Bd. 9/1, S. 413.
Die vierte Strophe spielt auf ein damaliges Gesellschaftsspiel junger Menschen an; nähere Ausführungen dazu bei Heinz Rölleke (wie oben) und Franz Magnus Böhme (Böhme, Volksthüml. Lieder 1895, S. 277).
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29.10.2013 12:01