D. Es wirbt ein schöner Knabe
(Liederhandschrift um 1830)
Text: Achim von Arnim (1781–1831)
Melodie: anonym
Der Schwimmer | ||
1. | Es wirbt ein schöner Knabe, | |
da überm breiten See, | ||
Um eines Königs Tochter; | ||
Nach Leid geschah ihm weh. | ||
2. | "Ach Knabe, lieber Knabe, | |
Wie gern wär ich bei dir; | ||
So fließen nun zwei Wasser | ||
Wohl zwischen mir u[nd] dir. | ||
3. | Das eine sind die Thränen, | |
Das andre ist der See: | ||
Es wird von meinen Thränen | ||
Nur tiefer noch der See." | ||
4. | Da setzt sie auf das Wasser | |
Ein Licht auf Lindenholz, | ||
Das treibet Wind und Wasser | ||
Zu ihrem Buhlen stolz. | ||
5. | Als er es aufgefangen | |
Er rief aus voller Brust: | | [S. 88] | |
"Mein Stern ist aufgegangen | ||
Ich schiff ihm nach mit Lust!" | ||
6. | Das Lichtlein auf den Händen | |
Er schwamm zum Liebchen her, | ||
Wo mag er hin sich wenden? | ||
Ich seh kein Lichtlein mehr. | ||
7. | Liegt er in ihrem Schooße. | |
Sein Lichtlein wendet ab? | ||
Liegt er im tiefen Grunde | ||
In einem nassen Grab? |
Volkslieder mit zweistimmigen Weisen. Gesammelt und ausgearbeitet in den 20er- bis 30er Jahren des 19. Jahrhunderts von F[riedrich] Briegleb. Handschriftliches Liederbuch, um 1830, Nr. 51.
DVA: HL 193 und A 44252
Editorische Anmerkung:
Briegleb verzichtete auf die vierte Strophe der Vorlage im "Wunderhorn" (s. Edition B). Als melodische Grundlage des Liedes verwendete er eine Weise von Johann Friedrich Reichardt. Es handelt sich dabei um die Vertonung des alten Falkenliedes "Wär ich ein wilder Falke", die Friedrich Nicolai 1777 in seiner Sammlung "Eyn feyner kleyner Almanach" veröffentlicht hatte (S. 160). Diese Melodie scheint sich noch in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts – zumindest in der Coburger Gegend – einer gewissen Beliebtheit erfreut zu haben: Zumindest verwendete Briegleb sie noch für einen weiteren Wunderhorn-Text in seinem Liederbuch: "Mir träumt, ich flög gar bange" (Nr. 93). Bemerkenswert ist auch, dass August Kretzschmer 1840 zu seinem Nachdruck von Reichardts Weise zum Falkenlied angab: "Aus dem Coburgschen, noch gesungen"; s. August Kretzschmer: Deutsche Volkslieder mit ihren Originalweisen nach handschriftlichen Quellen. Teil 1. Berlin 1840, S. 496f. (Nr. 285). – Zu "Wär ich ein wilder Falke" sowie zu Reichardts Vertonung siehe auch DVM-Balladen 1974, Bd. 6-1, Nr. 125 (Die schöne Magdalena), S. 61–75, hier S. 72.
Zu Brieglebs Liederbuch informieren ausführlich Harry Schewe und Erich Seemann: Friedrich Briegleb als Sammler und Bearbeiter coburgischer Volkslieder. In: Jahrbuch für Volksliedforschung 1 (1928), S. 1–78; darin zum vorliegenden Lied S. 45 (Nr. 51) und S. 62 (Nr. 93). – Eine Faksimile-Ausgabe der Handschrift erschien 1984: Die Coburger Liederhandschrift des J. L. Friedrich L. Briegleb. Hrsg. von Horst Steinmetz. Hammelburg: Saaleck 1984, darin S. 87f. (Nr. 51), S. 257 (Transkription) und S. 366.
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30.10.2013 07:00