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A. Aus Wolinien sind gezogen
(St. Petersburger Region 1917)
Text: anonym
Wolinien-Lied. | ||
1. | Aus Wolinien sind gezogen | |
Die Verjagten arm und reich. | ||
Keinem ging der Weg auf Roszen | ||
Alle waren jetzt sich gleich. | ||
Sonntag früh am fünften Juli, | ||
Grade zu der Ernte Zeit, | ||
Mussten durch die Trübsalsschule | ||
Alle, arm und reiche Leut. | ||
2. | Angespannt und schwer beladen | |
Stund der Wagen vor der Tür. | ||
Manche Schätze, o wie schade, | ||
Blieben, – man hat nichts dafür. | ||
Vorwärts ging's durch Sturm und Wetter | ||
Auf Befehl der Obrigkeit, | ||
Keiner findet einen Retter, | ||
Der ihn von der Not befreit. | ||
3. | So ging's vorwärts durch die Wälder, | |
Ueber Hügel, Berg und Tal, | ||
Auch durch Städte und durch Felder | ||
Und durch Dörfer ohne Zahl. | ||
Auf dem Strom mit einem Dampfer | ||
Fuhren wir in einem Kahn, | ||
Auch auf Fuhren manchen Orten, | ||
Und zuletzt auf Eisenbahn. | ||
4. | Auf dem langen Trübsalswege | |
Kam der Tod, hielt gleichen Schritt. | ||
Kleine Kinder, alte Leute, | ||
Junge Blüten nahm er mit. | ||
Es ist gar nicht zu beschreiben | ||
Diese grosse Trübsalszeit. | ||
Jeden drückt das schwere Leiden. | ||
Ach, wann endet dieses Leid! | ||
5. | Endlich ist der Tag gekommen, | |
Wo wir in Sibirien hier | ||
Werden freundlich aufgenommen, | ||
Fanden Wohnung und Quartier. | ||
Haben dort bei guten Leuten | ||
Obdach für die Winterzeit. | ||
So sorgt Gott für schwere Zeiten, | ||
Ihm sei Dank in Ewigkeit! | ||
6. | Was vergangen und geschehen, | |
Hat ein jeder schon gefühlt. | ||
Aber wie's uns noch wird gehen | ||
Ist von allen jetzt verhüllt. | ||
Doch das eine ist vor sicher, | ||
Dass uns geht nach Gottes Rat. | ||
Er ist ja der rechte Richter, | ||
Der noch nie gefehlet hat. | ||
7. | Gott wird ja die seinen schätzen | |
In der schwersten Trübsalszeit, | ||
Sollten gleich die Berge stürzen | ||
Und uns drohn die Ewigkeit. | ||
Das hat Gott vor alten Zeiten | ||
Jedem Gläubigen getan. | ||
Und er wird uns auch bereiten | ||
Ein gelobtes Kanaan. |
Handschriftliches Liederheft von Frau Geweiler (1917), Kolonie Nikolajewka (Kreis Nowgorod / Region St. Petersburg); Abschrift von Viktor Schirmunski im Sommer 1930.
DVA: DVL – M 13, Nr. 1 (L)
IRLI Handschr. Abt.: Fond 104–21–164, Veröffentlichung mit Genehmigung von IRLI RAN, Sankt-Petersburg.
Editorische Anmerkung:
Im Vergleich zu einer zehn Jahre später in der Ukraine aufgezeichneten Liedversion fehlt hier die achte Strophe (vgl. Edition C ).
last modified
21.03.2016 06:21