A. Auf, ihr jungen deutschen Brüder
(Ukraine 1930)
Text: anonym
1. | Auf, ihr jungen deutschen Brüder: | |
Leget eure Arbeit nieder. | ||
Denn man ruft euch zu Soldat. | ||
Dieser Ruf ergeht an alle, | ||
Und es ist ein Trauerschalle, | ||
Dem, der einen Sohn noch hat. | ||
2. | Den vor einundzwanzig Jahren | |
Seine Mutter hat geboren | ||
Muss jetzt auf dem Schauplatz sein. | ||
Wieviel Söhne dieser Erde | ||
Auf einmal gezogen werden. | ||
Wird das nicht ein Jammer sein? | ||
3. | Hier wird oft den Herzen bange, | |
Währt es wenig oder lange, | ||
Steht es oft mit Weh und Ach. | ||
Sind wir nun dazu geboren, | ||
Haben vieles Gut's verloren. | ||
Gott wird führen unsre Sach. | ||
4. | Müssen wir gleich fremde Wege, | |
Gott wird sein die rechte Stege | ||
Fern von unsrer Heimat zieh. | ||
Ist es Gottes Wohlgefallen, | ||
Er behüt uns und euch alle, | ||
Wird er selber mit uns gehn. | ||
5. | Viele haben uns verlassen, | |
Wer kann diesen Kummer fassen? | ||
Manches treue Vaterherz, | ||
Das sich jetzt in Kummer kränket, | ||
Wenn es nur daran gedenket. | ||
Wer beschreibet diesen Schmerz? | ||
6. | Dass er jetzt seinen lieben Sohn | |
Muss abgeben unserer Krone, | ||
Ist das nicht betrübte Zeit? | ||
Dass er jetzt den Spiess und Degen | ||
Muss umschnallen und anlegen | ||
Und austragen in den Streit. | ||
7. | Wie so manche Mutter pflegte, | |
Ja, noch mehr auch, sie beherzte | ||
Ihren Sohn mit zarter Lieb. | ||
Jetzt muss sie auch ihn verlassen, | ||
Das kann fast ihr Herz nicht fassen, | ||
Und ist deshalb tief betrübt. | ||
8. | Ach, wie mancher muss verlassen. | |
Wer kann diesen Schmerz umfassen, | ||
Eine liebe Frau und Kind, | ||
Die er kurz vor wenig Tagen | ||
Sich zur Frau genommen hatte | ||
Und mit Schmerz verlassen muss. | ||
9. | So oft ich daran gedenke, | |
Dass ich fort muss in die Fremde, | ||
Fern von meiner Heimat ziehn, | ||
Kann sich oft mein Herz nicht fassen, | ||
Dass ich alles muss verlassen, | ||
Und von allen scheiden muss. | ||
10. | Nun, zum Schlusse, liebe Mutter, | |
Vater, Schwester und auch Bruder, | ||
Liebe Frau, du bleibst allein. | ||
Nun, wir wollen Gott vertrauen, | ||
Und auf seine Gnade bauen, | ||
Das soll jetzt mein Abschied sein. |
Aufgezeichnet in der Kolonie Glückstal (Moldauer Republik, Ukraine) im Sommer 1930 durch Viktor Schirmunski; Gewährsperson: "Vater Gohl", ca. 60 Jahre alt; Abschrift aus dessen handschriftlichem Liederheft.
DVA: DVL – M 50, Nr. 2
IRLI Handschr. Abt.: Fond 104 – 12 – 106, Veröffentlichung mit Genehmigung von IRLI RAN, Sankt-Petersburg.
Editorische Anmerkung:
Die früheste Erwähnung des Liedes in einem 1905 angelegten handschriftlichen Liederheft aus der Ortschaft Karamurad (Kreis Constanca, Dobrudscha) findet sich in: Arthur Byhan: Deutsche Volkslieder aus der Dobrudscha und Südrussland. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 27 (1917), S. 141–146; dort S. 141f.
Die Aufzeichnungen von Schünemann und Gruss aus den Jahren 1915–18 sind ediert in: Georg Schünemann: Das Lied der deutschen Kolonisten in Russland. München: Drei Masken 1923, Nr. 384–385, S. 357. Der Liedtext umfasst dort nur fragmentarisch Teile aus Strophe 1 und 2; zu den Melodieaufzeichnungen vgl. Edition B.
- 1 Strophe
- 3 Strophe
- 4 Strophe
last modified
17.11.2011 12:00