E. Annchen von Tharau ist, die mir gefällt
(Des Knaben Wunderhorn 1806)
Text: Simon Dach (1605–1659) zugeschrieben
Der Palmbaum. | ||
1. | Annchen von Tharau ist, die mir gefällt, | |
Sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld. | ||
2. | Annchen von Tharau hat wieder ihr Herz | |
Auf mich gerichtet in Lieb und in Schmerz. | ||
3. | Annchen von Tharau, mein Reichthum, mein Gut, | |
Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut! | ||
4. | Käm' alles Wetter gleich auf uns zu schlahn, | |
Wir sind gesinnet, bei einander zu stahn. | ||
5. | Krankheit, Verfolgung, Betrübniß und Pein, | |
Soll unsrer Liebe Verknotigung seyn. | | [S. 203] | |
6. | Recht als ein Palmenbaum über sich steigt, | |
Je mehr ihn Hagel und Regen anficht, | ||
7. | So wird die Lieb in uns mächtig und groß, | |
Durch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Noth. | ||
8. | Wurdest du gleich einmal von mir getrennt, | |
Lebtest da, wo man die Sonne kaum kennt; | ||
9. | Ich will dir folgen, durch Wälder, durch Meer, | |
Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer. | ||
10. | Annchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn, | |
Mein Leben schließ ich um deines herum. |
Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, gesammelt von L. Achim v. Arnim und Clemens Brentano, Bd. 1, Heidelberg 1806, S. 202f.
DVA: V 1/329, aa
Dort folgende Herkunftsangabe: "Simon Dach."
Editorische Anmerkung:
Vgl. dazu auch den kritischen Kommentar von Heinz Röllecke (Des Knaben Wunderhorn. Historisch-kritische Ausgabe. Lesarten und Erläuterungen zu Teil 1) in: Clemens Brentano. Sämtliche Werke und Briefe, Bd. 9,1. Stuttgart 1975, S. 359-361.
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21.06.2012 11:13