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Alleweil ein wenig lustig


Das weltliche Freuden wie Tanz, Tabak, Bier und Wein besingende Lied "Alleweil ein wenig lustig" des Benediktinerpaters Johann Valentin Rathgeber erschien 1733 im ersten Heft von dessen Sammlung "Ohren-vergnügendes und Gemüth-ergötzendes Tafel-Confect". Es wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt und fand in bearbeiteter Form in Gebrauchsliederbüchern Eingang.

I. Johann Valentin Rathgeber (1682–1750) gehörte im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts zu den beliebtesten und einflussreichsten Komponisten Süddeutschlands. Im Augsburger Verlag Lotter erschienen – neben zahlreichen kirchenmusikalischen Werken – in den Jahren 1733, 1737 und 1739 anonym drei Sammlungen ("Trachten") seiner weltlichen Lieder unter dem Titel "Ohren-vergnügendes und Gemüth-ergötzendes Tafel-Confect". Rathgeber knüpfte hier an eine regionale Tradition von Ausgaben volksnaher Gesänge an, die der Unterhaltung höherer, zunehmend auch bürgerlicher Kreise dienten (wie Melchior Franck "Musicalischer Grillenvertreiber", Coburg 1621; Daniel Speer "Recens Fabricatus Labor, Oder Neugebachene Taffel-Schnitz Von Mancherley lustigen Rencken und Schwencken zusammen gestickt mit Noten ausgespickt", Frankfurt 1685 u.a.). Den Titel der Sammlung übernahm Rathgeber vermutlich von Wolfgang Carl Briegel, der in seinem "Musicalischen Tafel-Confect" (Frankfurt 1672) eine Anzahl von "lustigen und kurtzweiligen Sachen" veröffentlichte, die zum Abschluss musikalischer "Tafel-Aufwartungen" erklingen sollten ("bey Auffsetzung deß Confects, wann die Geister durch den edlen Reben-Safft schier ermuntert"). Unter den von Rathgeber "zur angenehmen Zeit-Vertreib und Aufmunterung melancholischer Humeurs" 1733 im ersten Liederheft publizierten "Sing- oder Tafel-Stucken" findet sich "Alleweil ein wenig lustig" (Edition A). Besungen werden in diesem Lied die Vergnügen, die Wein und "braun Bier" als rauschbringende Getränke, deftiges Essen, Tabak, Tanz und Kartenspiel "alleweil" bereiten, gerade auch denjenigen, die "im Buch" (also in der Bibel) studieren und sich der Endlichkeit des Lebens bewusst sind.

II. Über die frühe Rezeptionsgeschichte des "Augsburger Tafelconfects" liegen kaum gesicherte Erkenntnisse vor. Musikwissenschaftliche Untersuchungen haben in Werken etwa von Haydn oder Mozart Anklänge an Lieder Rathgebers ausmachen wollen, doch direkte Bezugnahmen sind nicht schlüssig zu belegen. Keines der "Sing- oder Tafel-Stücke" wurde in Gebrauchsliederbücher des 19. Jahrhunderts aufgenommen. Mit seiner 1902 erschienenen Studie "Das deutsche Lied im 18. Jahrhundert" leitete Max Friedlaender eine kleine Rathgeber-Renaissance ein. Er identifizierte den Benediktinerpater nicht nur als Urheber des "Tafelconfects", sondern betonte zugleich, das Werk ("eine Art Commersbuch") sei "von hoher Wichtigkeit" für die Geschichte des deutschen Liedes. Zu den von Friedlaender edierten Beispielen aus der Sammlung gehörte auch "Alleweil ein wenig lustig", ein Stück "voll des glücklichsten Trinklied-Humors", wie er befand, und "musikalisch besonders durch den zwingenden Schuhplattl-Rhythmus interessant".

III. Im Anschluss an Friedlaender erschien "Alleweil ein wenig lustig" 1906 im so genannten "Kaiserliederbuch" in einer Bearbeitung für Männerchor von Eusebius Mandyczewski (Edition B) und 1913 in einer Einrichtung mit "leichter Gitarrebegleitung" von Georg M. Winter (Edition C). In beiden Fällen sind die acht Strophen Rathgebers auf drei reduziert. In der Jugendbewegung wurde eine Reihe von Liedern aus dem "Augsburger Tafelconfect" begeistert aufgegriffen, "Alleweil ein wenig lustig" jedoch erst, nachdem Fritz Jöde Anfang der 1920er Jahre eine geraffte Neufassung vorlegte (Edition D), die aus dem ursprünglichen Solo- ein Gemeinschaftslied machte. Jöde behielt nurmehr die erste Strophe bei und fügte ihr eine eigene zweite im Ton Rathgebers bei ("alleweil ein gutes bayrisch Bier, alleweil ein schönes Kind bei mir"). In der katholischen Singebewegung wurde letztere später allerdings durch zwei unverfänglichere Strophen aus der Feder von Georg Thurmair ersetzt (Edition E): offenbar hielt man das Lied nur so für geeignet, etwa von Jugendgruppen gesungen zu werden. Vom genussfrohen Geist des Rathgeberschen Tafelstücks ist hier kaum noch etwas zu spüren. Mit der musikpädagogischen Bewegung der Nachkriegsjahre fand das Lied "Alleweil ein wenig lustig" seine größte Verbreitung.

TOBIAS WIDMAIER
(März 2008)



Literatur

  • Gottfried Rehm: "Alleweil ein wenig lustig". Ein Beitrag zur Geschichte eines Rathgeberliedes. In: Rhönwacht 1966, S. 99f.

Editionen und Referenzwerke
  • Ohrenvergnügendes und gemüthergötzendes Tafelconfect. Hrsg. von Hans Joachim Moser. Mainz 1942 (Das Erbe deutscher Musik, Reihe 1, Bd. 19), S. 44f.
  • Friedlaender 1902, Bd. 1/1 , S. 69–77 (Zitat Briegel S. 70f.); Bd. 1/2, S. 32f.

Weiterführende Literatur

  • Johann Valentin Rathgeber (1682–1750): Leben – Werk – Bedeutung. Eine Wanderaustellung der Valentin-Rathgeber Gesellschaft e.V. [Katalog]. Hrsg. von Erasmus und Berthold Gaß. Oberelsbach 2007 (Musica Buchonica 1).
  • Hans Rheinfurth: Der Musikverlag Lotter in Augsburg (ca. 1719–1845). Tutzing 1977 (Musikbibliographische Arbeiten 3).


Quellenübersicht

  • Ungedruckte Quellen: keine Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: sehr häufig in Gebrauchsliederbüchern (ab dem frühen 20. Jahrhundert)
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: etliche Tonträger
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Tobias Widmaier: Alleweil ein wenig lustig (2008). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/alleweil_ein_wenig_lustig/>.


© Deutsches Volksliedarchiv
last modified 16.10.2012 09:36
 

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