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Liederlexikon

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You are here: Home Lieder Sollen nun die grünen Jahre Edition D: Flugblatt 18. Jahrhundert
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D. Sollen nun die grünen Jahre

(Flugblatt 18. Jahrhundert)


Text: Heinrich Anshelm von Zigler und Kliphausen (1663–1697)

Scan der Editionsvorlage
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Klagelied über die Unschuld.

1. Sollen nun die grünen Jahre,
und der Unschuld Perlen-Kleid,
auf die blasse Todenbahre,
in die dunkle Ewigkeit,
soll mein Blut die Erde färben,
soll die Unschuld nicht mehr seyn,
und so jämmerlich verderben,
Himmel, das ist Seelenpein.
 
2. Meine Jugend heißt mich hoffen,
weil die vollen Rosen steh'n,
und mein Fuß betritt die Stuffen,
welche nach dem Grabe geh'n,
suche Hülfe hier vergebens,
suche Flammen in dem Schnee,
weil die Sonne meines Lebens
sinket in den Toden-See.
 
3. Statt verhofter Liebesblicke,
küsset mich der blasse Tod,
und der Tugend bestes Glücke,
ist nur immer Angst und Noth;
Gold und Kronen soll ich erben,
ia ein Kind der Götter seyn,
aber, ach! so muß ich sterben,
und betretten Gruft und Stein.
 
4. Doch getrost, das Licht der Jugend,
blitzet auch durch Tod und Nacht,
es ist Schönheit, Stand und Tugend,
was der Tod dir bitter macht,
dieses sind nur falsche Sterne,
und ein Glanz der Eitelkeit,
Spreu und Schalen sonder Kerne,
welche schwinden mit der Zeit.
 
5. Tugend kann den Tod versüssen,
Hoffnung zuckert Gallen mir,
weil wir aber sterben müssen,
bleib ich ewig doch bei dir,
es wird meine reine Seele
reisen durch die Sterblichkeit,
und entgehn der Grabes-Höhle,
zur gestirnten Ewigkeit.
 
6. Zwar mein Schatz wird sich betrüben,
weil mein Tod die Liebe stört,
doch ein keusch gesinntes Lieben,
wird durch keinen Tod versehrt,
ihre zarte Wurzel dringet,
auch bis in die kalte Gruft,
wann sich Geist und Seele schwinget,
durch die blau gewölkte Luft.
 
7. Nun die Zeit befiehlt zu scheiden,
und mein Stundenglas zerbricht,
ich soll Tod und Marter leiden,
es verdunkelt Aug und Licht;
dieses ist die letzte Stunde,
so vergeht der Jugend Pracht,
Wort und Sylb erstirbt im Munde,
Welt und Schatz, nun gute Nacht.


Neue Kloster- und Schäferlieder. 1. Sollen nun die grünen Jahre 2. Es will ein Jungfer ins Kloster gehen 3. An dem schönsten Frühlingsmorgen 4. Fliehe Schwermuth, flieht ihr Sorgen. o. O. u. J.
DVA: Bl 7106 (Kopie; Original: Bibliothèque Nationale et Universitaire Strasbourg, R. 104 308. IV, St. 155)


Editorische Anmerkung:
Dem neu hinzugefügten Titel "Klagelied über die Unschuld" entsprechend, wird in Strophe 1 (Vers 6) der Name Banise durch das neutrale "die Unschuld" ersetzt und anstelle von "Printz" (Str. 6, 1 und Str. 7, 2) das allgemeinere "Schatz" verwendet. Die übrigen Abweichungen vom Originaltext sind semantisch wenig bedeutend und akzentuieren die Themen Liebe, Abschied und Tod, die bereits die im Roman abgedruckte Originalfassung bestimmen.
Eine Mischung aus der ursprünglichen und der dekontextualisierten Variante des Liedes findet sich in dem vermutlich zwischen 1780 und 1800 gedruckten Flugblatt "Acht schöne neue Weltliche-Lieder, Das Erste. Sollen nun die grünen Jahre, und etc. […]. Gedruckt in diesem Jahr." (Staatsbibliothek zu Berlin, Yd 7909.40; zur Datierung s. Böhme: Volksthümliche Lieder, Nr. 455, S. 343). "Banise" wird dort eingangs genannt, ab Strophe 5 entspricht der Text jedoch, von einer Ausnahme abgesehen, dem des "Klagelieds über die Unschuld". Ein Nachdruck des Flugblatts findet sich in der Sammlung "Deutsche Volks- und Gesellschaftslieder des 17. und 18. Jahrhunderts" (Wort und Weise gesammelt und herausgegeben von Franz Wilhelm Freiherrn von Dithfurth. Nördlingen 1872, S. 33-34, Nr. 33).
last modified 29.11.2011 01:07
 

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