Edition E: Vertonung Peter Rohland 1965 copied.
E. Seht, da steht der große Hecker
(Vertonung Peter Rohland 1965)
Text: Karl Christian Gottfried Nadler (1809–1849)
Melodie: Peter Rohland (1933–1966)
| Das Guckkastenlied vom großen Hecker | ||
| 1. | Seht, da steht der große Hecker, | |
| Eine Feder auf dem Hut, | ||
| Seht, da steht der Volkserwecker, | ||
| Lechzend nach Tyrannenblut. | ||
| Wasserstiefeln, dicke Sohlen, | ||
| Säbel trägt er und Pistolen, | ||
| Und zum Peter saget er: | ||
| "Peter, sei du Statthalter!" | | [S. 107] | |
| 2. | "Peter", sprach er, "du regiere | |
| Constanz und den Bodensee; | ||
| Ich zieh aus und commandiere | ||
| Unsre tapfre Arimee; | ||
| Mit Polacken und Franzosen | ||
| Wird der Herwegh zu mir stoßen, | ||
| Und der stirbt lebendig eh'r, | ||
| Als daß er ein Hundsfott wär." | ||
| 3. | Pflästerer und Schieferdecker, | |
| Alles, niederig und hoch, | ||
| Alles jauchzte unserm Hecker, | ||
| Als er aus zum Kampfe zog. | ||
| Handwerksburschen, Literaten, | ||
| Tailleurs, Bauern, Advokaten, | ||
| Alles folgte rasch dem Zug, | ||
| Als er seine Trommel schlug. | ||
| 4. | Rumbidibum, so hört man's schlagen, | |
| Rumbidibum Dumdumdumbum; | ||
| Und bei Straf' ließ Weishaar sagen | ||
| Rings im ganzen Land herum: | ||
| "Tut euch schnell zusammenraffen, | ||
| Gebt mir Mannschaft, Pferde, Waffen, | ||
| Oder ich bring alles um"; | ||
| Rumbidibum Dumdumdumbum. | ||
| 5. | Und die reizende Frau Struwel | |
| Warb mit ihrem Flammenblick | ||
| Tausend Mann in diesem Trubel | ||
| Für die deutsche Republik. | ||
| Gelder fand man in den Kassen, | ||
| Die man sich tat öffnen lassen; | ||
| Wein bracht' man aus jedem Haus | ||
| Für die Republik heraus. | ||
| 6. | Durch die Baar tat man jetzt wandern, | |
| Und hernach in's Wiesental, | ||
| Und daselbst stieß man bei Kandern | ||
| Auf Soldaten ohne Zahl; | ||
| Edler Gagern, wackre Hessen, | ||
| Wollt' ihr euch mit Hecker messen? | ||
| Gagern, du kommst nicht zurück, | ||
| Vivat hoch, die Republik! | | [S. 108] | |
| 7. | Gagern wollt' parlamentieren, | |
| Doch das ist nicht Heckers Art; | ||
| "Ich", sprach er, "soll retirieren, | ||
| Ich, mit meinem schönen Bart!?" | ||
| Ach! nun hört man Schüsse knallen, | ||
| Gen'ral Gagern sah man fallen – | ||
| Und der tapfre Hinkeldey | ||
| Saß zu Pferde auch dabei. | ||
| 8. | Hecker wollt' nicht länger bleiben, | |
| "Rechtsumkehrt euch!" donnert er; | ||
| Und zur Eile ließ er treiben, | ||
| Denn es stürmte gar zu sehr. | ||
| Die Musik ließ er erklingen, | ||
| Und sein Corps fing an zu singen: | ||
| "Hecker ist ein großer Mann, | ||
| Der für Freiheit sterben kann." | ||
| 9. | Und als dieses vorgefallen, | |
| Fing man leider auf dem Rhein, | ||
| Zur Bekümmernis von allen, | ||
| Unsern edlen Struwel ein; | ||
| Man tat ihn in Eisen legen, | ||
| Aber von des Heckers wegen | ||
| Ließ der Oberamtmann Schey | ||
| Den Gefang'nen wieder frei. | ||
| 10. | Kaiser, Weishaar, Struwel, Peter, | |
| Alle trieb man allbereits | ||
| Gleichsam als wie Übeltäter | ||
| In die schöne, freie Schweiz. | ||
| Doch der Peter, der kam wieder, | ||
| Legt' die Statthalterschaft nieder, | ||
| "Denn", sprach er, "ich werde alt, | ||
| Und verlier' sonst mein Gehalt." | ||
| 11. | Hecker, sag', wo bist du, Hecker? | |
| Legst die Hände in den Schoß? | ||
| Auf nun, du Tyrannenschrecker, | ||
| Jetzt geht es auf Freiburg los. | ||
| Badner, Hessen und Nassauer | ||
| Stehen dorten auf der Lauer; | ||
| Doch wir kommen schon hinein, | ||
| Denn neutral will Freiburg sein. | ||
| 12. | All' die schönen Stadtkanonen, | |
| Großer Hecker, die sind dein: | ||
| Und man ladet blaue Bohnen | ||
| Nebst Kartätschen schnell hinein. | ||
| Langsdorf will recognoscieren, | ||
| Läßt sich auf den Münster führen, | ||
| Und guckt durch den Perspectiv, | ||
| Ob es gut geht oder schief. | ||
| 13. | Oben her vom Günthersthale, | |
| Hinter Wald und Hecken vor, | ||
| Kam im Sturm mit einem Male | ||
| Sigels wildes, tapf'res Corps. | ||
| Aber uns're Hessenschützen | ||
| Ließen ihre Büchsen blitzen, | ||
| Und das Corps zog sich zurück – | ||
| Aus war's mit der Republik. | ||
| 14. | Denn hinein zu allen Toren | |
| Stürmte jetzt das Militär. | ||
| Und die Freischar war verloren | ||
| Trotz der tapfern Gegenwehr. | ||
| Alle, die sich blicken ließen, | ||
| Tat das Militär erschießen; | ||
| Alle Führer gingen durch, | ||
| Und erobert war Freiburg. | ||
| 15. | Also ist's in Baden gangen; – | |
| Was nicht fiel und nicht entfloh, | ||
| Ward vom Militär gefangen, | ||
| Liegt zu Bruchsal auf dem Stroh. | ||
| Ich, ein Spielmann bei den Hessen, | ||
| Der kann Baden nicht vergessen, | ||
| Der den Feldzug mitgemacht, | ||
| Habe dieses Lied erdacht. | ||
Alexander Lipping und Björn Grabendorff (Hrsg.): 1848. Der Deutsche macht in Güte die Revolution. Texte und Noten. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1982, S. 106–109.
DVA: V 1/12735
Dort folgende Herkunftsangabe: "Text: Karl Gottfried Nadler (gekürzt); Melodie: Peter Rohland"
Editorische Anmerkungen:
Peter Rohland hat sein Programm mit Liedern der Revolution 1848 im Jahr 1965 erarbeitet und in diesem Kontext das Hecker-Lied vertont. Auf Schallplatte erschien es jedoch erst nach seinem frühen Tod; s. Peter Rohland: Lieder deutscher Demokraten. Edition Peter Rohland 1. Hamburg: Teldec/Resco T 75508 (1967).
Der oben wiedergegebenen Textversion liegt Nadlers Fassung mit 22 Strophen zugrunde (s. Edition B); gekürzt wurden davon die Str. 15–21. Die Schallplattenaufnahme von Rohland verzichtete zudem auf die Strophen 5, 8–10 und 12.
last modified
31.08.2011 04:29