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C. Seht, da steht der große Hecker
(Württemberg um 1910)
Text: nach Karl Christian Gottfried Nadler (1809–1849)
1. | Seht, da steht der stolze Hecker, | |
eine Feder auf dem Hut, | ||
Seht, da steht der Volkserwecker, | ||
Lechzend nach Tyrannenblut. | | [S. 29] | |
2. | Wasserstiefel, dicke Sohlen, | |
Säbel trägt er und Pistolen, | ||
Und zum Peter sagt er: | ||
Peter sei Du Statthalter! | ||
3. | "Peter," sprach er, "Du regiere | |
Konstanz und den Bodensee, | ||
Ich zieh aus und kommandiere | ||
Unsre tapfere Armee. | ||
4. | Mit Polacken, mit Franzosen | |
Wird der Herwegh zu mir stoßen, | ||
Denn der stirbt lebendig eh'r, | ||
Als daß er ein Hundsfott wär'." | ||
5. | Rumpidibum; so hört man schlagen, | |
Rumpidibum, bum, bum, bum, bum, | ||
Und bei Straf' ließ Weißhar sagen | ||
Rings im ganzen Land herum: | ||
6. | "Gebt mir Pferde, Mannschaft, Waffen, | |
Tut euch schnell zusammenraffen, | ||
Oder ich bring' alles um!" | ||
Rumpidibum, bum, bum, bum, bum. | ||
7. | Handwerksburschen, Literaten, | |
Tailleurs, Bauern, Advokaten, | ||
Alles folgte rasch dem Zug, | ||
Als er seine Trommel schlug. | ||
8. | Pflästerer und Ziegeldecker, | |
Alles, Niedrige und Hoch, | ||
Alles jauchzte unserm Hecker, | ||
So er aus zum Kampfe zog. | ||
9. | Baden, Hessen und Nassauer | |
Stehen dort schon auf der Lauer. | ||
Doch wir kommen schon hinein: | ||
Freiburg muß neutral noch sein. | ||
10. | Und herein zu allen Toren | |
Stürmt herbei das Militär, | ||
Und die Freischar war verloren | ||
Trotz der tapfern Gegenwehr. | ||
11. | Als v. Gagern war gefallen, | |
Fing man leider an dem Rhein | ||
Zur Bekümmernis uns allen | ||
Unsern edlen Struve ein. | | [S. 30] | |
12. | Man wollt' ihn in Ketten legen, | |
Aber von des Heckers wegen | ||
Ließ der Oberamtmann Schey | ||
Den Gefang'nen wieder frei. | ||
13. | Hecker, sag', wo bist du, Hecker, | |
Legst die Hände in den Schoß? | ||
Auf nun, Du Tyrannenschrecker, | ||
Fest geht's jetzt auf Freiburg los! | ||
14. | Schimmelpfennig ward erstochen, | |
Manche Sense ward zerbrochen, | ||
Erschossen mancher brave Mann, | ||
Man hier nicht alle nennen kann. | ||
15. | Hinten her vom Günterstale, | |
Zwischen Wald und Hecken vor | ||
Kam im Sturm mit einemmale | ||
Sigels wildes, tapf'res Korps. | ||
16. | Aber unsre Hessen-Schützen, | |
Ließen ihre Büchsen blitzen; | ||
Und das Korps zog sich zurück: | ||
Aus war's mit der Republik. |
Aufzeichnung aus Buchau (am Federsee) durch Rudolf Kapff um 1908; zit. nach Rudolf Kapff: Geschichtliche Volkslieder und Sprüche. In: Volkskunde-Blätter aus Württemberg und Hohenzollern. Nachrichten und Umfragen des württembergisch-hohenzollerischen Vereins für Volkskunde. Hrsg. von Karl Bohnenberger 1 (1910), Nr. 4, S. 28–30.
DVA: VZ 1080
Dort folgende Herkunftsangabe: "folgendes ursprünglich als Spottlied gemeinte Revolutionslied [wird] noch heute in Buchau am Federsee und um Neuenbürg gesungen" (S. 28).
Editorische Anmerkungen:
Rudolf Kapff hatte das Heckerlied bereits in einem Zeitungsartikel veröffentlicht, der als zweite Folge einer dreiteiligen Serie mit dem Titel "Das geschichtliche Volkslied in Schwaben" in der "Neckar-Zeitung" erschienen war (165. Jahrgang 1908, Nr. 65, Mittwoch 18. März 1908, zweites Blatt; dort mit marginalen Interpunktions- und Rechtschreibeabweichungen).
Die Unterschiede zur Fassung Nadlers (s. Edition A) betreffen vor allem die Strophenstruktur: zum einen sind es hier 4-zeiligen Strophen im Gegensatz zu den 8-zeiligen des Originals, zum anderen werden die Strophenteile oftmals auf scheinbar beliebige Art und Weise neu zusammengesetzt. Die Reihenfolge der Strophen lautet hier (im Vergleich zu Nadlers Erstfassung): Str. 1a, 1b, 2a, 2b, 4a, 4b (mit einer Inversion der ersten beiden Zeilen), 3b, 3a, 9b, 12a, 7a, 7b, 9a, 16b, 11a und 11b. Gelegentlich werden auch Wörter ausgetauscht, ohne freilich den semantischen Inhalt des Textes zu verändern. Durch die Umstellung der Strophen ist jedoch die Reihenfolge der historischen Ereignisse nicht mehr korrekt benannt: Von Gagern war beispielswiese zu Anfang der kämpferischen Auseinandersetzungen in Kandern gefallen und nicht, wie es die Strophenreihenfolge hier nahelegt, während des Kampfes um Freiburg (siehe Strophe 9); ebenso hatte Siegels Korps bereits vor der Erstürmung der Stadt Freiburg durch die preußischen Truppen (und nicht danach) von Günterstal her versucht, den Aufständischen in der Stadt zur Hilfe zu kommen.
Die allgemeine Rezeption des Liedes hielten Karl Steiff und Gebhard Wehring 1912 fest:
"Es war in Württemberg viel verbreitet und wurde oft gesungen. Ja es scheint noch heute in lebendiger Erinnerung zu sein. Dr. Rudolf Kapff hat es aus dem Volksmund aufgezeichnet [...]. Aber es ist bemerkenswert, dass nur diejenigen Strophen erhalten blieben, die, aus dem Zusammenhang des Ganzen genommen, als Äußerungen des Lobs und der Bewunderung für Hecker und die Aufständischen erscheinen [...], so dass aus dem Spottlied ein Heldenlied geworden ist." (Karl Steiff, Gebhard Wehring: Geschichtliche Lieder und Sprüche Württembergs. Stuttgart 1912, S. 958.)
Auch aus anderen Regionen, die Schauplätze der historischen Ereignisse des Hecker-Aufstandes gewesen waren, finden sich Aufzeichnungen in regionalen Liedsammlungen, zumal in Baden und der Pfalz, z. B.: - Johann Philipp Glock: Badischer Liederhort. Eine Sammlung der bekanntesten und schönsten Volkslieder der Badischen Heimat nach Wort und Weise aus dem Munde des Volkes. Band I: Die historischen Volkslieder des Großherzogtums Baden. Karlsruhe 1910, S. 114–116 (Nr. 83);
- auch Fritz Heeger (Geschichtliche Lieder im pfälzischen Volksmund. Aus der pfälzischen Volksliedersammlung von Georg Heeger und Wilhelm Wüst. In: Saarpfälzische Abhandlungen zur Landes- und Volksforschung Band. 2, 1938) erwähnt das Lied (S. 33).
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31.08.2011 05:27