Edition D: Textvariante 1850 copied.
D. Ob wir feine Röcke tragen
(Textvariante 1850)
Text: anonym
Bürgerlied. | ||
Mel.: Prinz Eugen, der edle Ritter. | ||
1. | Ob wir feine Röcke tragen, | |
Aufgeputzt mit rothem Kragen, | ||
Ob ein Ordensstern daran; | | [S. 48] | |
Oder ob in grobem Leinen | ||
Ohne Zeichen wir erscheinen: | ||
Das macht Alles nicht den Mann. | ||
2. | Ob wir in Palästen thronen, | |
Oder ob in Hütten wohnen, | ||
Wie sie nur die Noth ersann; | ||
Ob wir ruh'n auf seid'nen Decken, | ||
Oder nur auf Moos uns strecken: | ||
Das macht Alles nicht den Mann. | ||
3. | Ob mit Gold wir können prahlen, | |
Oder kaum die Schulden zahlen | ||
An den reichen Wuchersmann; | ||
Ob beim Mahl uns Weine winken, | ||
Oder ob wir Wasser trinken: | ||
Das macht Alles nicht den Mann. | ||
4. | Ob uns lange Titel schmücken, | |
Schmeichler uns die Hände drücken | ||
Und uns sehen freundlich an; | ||
Oder ob, aus nied'rem Stande, | ||
Uns kaum Jemand kennt im Lande: | ||
Das macht Alles nicht den Mann. | ||
5. | Zieh'n im Lande auf und nieder, | |
Singen Zech- und Liebes-Lieder, | ||
Die ein froher Rausch ersann; | | [S. 49] | |
Köpfen flott Champagner-Flaschen, | ||
Haben schön gestickte Taschen: | ||
Das macht Alles nicht den Mann. | ||
6. | Reichthum von den Vätern erben, | |
Statt durch Fleiß ihn zu erwerben, | ||
Das auch macht noch nicht den Mann; | ||
Aber unablässig schaffen, | ||
Und im Wirken nie erschlaffen: | ||
Dieses, dieses macht den Mann. | ||
7. | Wo es gilt, die Wahrheit sagen, | |
Keine Scheu vor Menschen tragen, | ||
Scheuen selbst nicht Acht und Bann; | ||
Jedem frei in's Auge schauen, | ||
Und der eignen Kraft vertrauen: | ||
Dieses, dieses macht den Mann. | ||
8. | Immer rüstig vorwärts schreiten, | |
Tapfer für den Fortschritt streiten, | ||
Wie und wo man immer kann; | ||
Und auf diesem Weg nicht wanken, | ||
Selbst nicht einmal in Gedanken: | ||
Dieses, dieses macht den Mann. | ||
9. | Tief sich vor dem Höhern bücken, | |
Und den Niedern unterdrücken, | ||
Das macht, wahrlich! nicht den Mann; | | [S. 50] | |
Für die Armen muthig kämpfen | ||
Und der Reichen Hochmuth dämpfen: | ||
Dieses, dieses macht den Mann. | ||
10. | Für das Rechte stets erglühen, | |
Aber Zornesfunken sprühen, | ||
Zeigt sich irgend ein Tyrann; | ||
Mit ihm eine Lanze brechen | ||
Und die Unterdrückten rächen: | ||
Dieses, dieses macht den Mann. | ||
11. | Nun wohlan! wer eine Kehle | |
Hat und eine brave Seele, | ||
Schließ' sich unserm Kreise an; | ||
Bei der Menschenwürd' und Ehre, | ||
In der Tief' des Herzens schwöre | ||
Jeder: "Ich will sein ein Mann!" |
Die Freiheit siegt! Liederbuch der Mecklenburgischen Dorfzeitung. [Hrsg. von Johann Heinrich Sievers.] Wismar [1850], S. 47–50.
DVA: V 3/3610
Editorische Anmerkung:
In gekürzter Form findet sich diese Version des "Bürgerliedes" auch in: Demokratisches Liederbuch zum Gebrauche der Volksvereine, hrsg. von einer Kommission des Demokratischen Vereins in München. 2. durchgesehene Aufl. Stuttgart 1898, S. 30f. (Verwendung finden die ursprünglichen Strophen 1, 4, 6, 7, 9 und 11; als Textautor wird hier ebenfalls fälschlich "Uhlich" genannt).
last modified
09.07.2009 11:17