Edition K: 1848er-Liederbuch 1957 copied.
K. In dem Kerker saßen zu Frankfurt an dem Main
(1848er-Liederbuch 1957)
Text und Melodie: anonym
Die freie Republik | ||
1. | In dem Kerker saßen | |
Zu Frankfurt an dem Main | ||
Schon seit vielen Jahren | ||
Sechs Studenten drein, | ||
Die für die Freiheit fochten | ||
Und für das Bürgerglück | ||
Und für die Menschenrechte | ||
Der freien Republik. | ||
2. | Und der Kerkermeister | |
Sprach es täglich aus: | ||
Sie, Herr Bürgermeister, | ||
Es reißt mir keiner aus. | ||
Aber doch sind sie verschwunden | ||
Abends aus dem Turm, | ||
Um die zwölfte Stunde, | ||
Bei dem großen Sturm. | | [S. 43] | |
3. | Und am andern Morgen | |
Hört man den Alarm. | ||
O, es war entsetzlich | ||
Der Soldatenschwarm! | ||
Sie suchten auf und nieder, | ||
Sie suchten hin und her, | ||
Sie suchten sechs Studenten | ||
Und fanden sie nicht mehr. | ||
4. | Doch sie kamen wieder | |
Mit Schwertern in der Hand. | ||
Auf, ihr deutschen Brüder, | ||
Jetzt geht's fürs Vaterland. | ||
Jetzt geht's für Menschenrechte | ||
Und für das Bürgerglück. | ||
Wir sind doch keine Knechte | ||
Der freien Republik. | ||
5. | Wenn euch die Leute fragen: | |
Wo ist Absalom? | ||
So dürfet ihr wohl sagen: | ||
O, der hänget schon. | ||
Er hängt an keinem Baume | ||
Und an keinem Strick, | ||
Sondern an dem Glauben | ||
Der freien Republik. |
Inge Lammel: Lieder der Revolution von 1848. Hrsg. von der Kommission Arbeiterlied bei der Deutschen Akademie der Künste. Leipzig: Friedrich Hofmeister 1957 (Das Lied im Kampf geboren! Heft 1), S. 42f.
DVA: V 1/11319
Dort folgende Herkunftsangabe: "Verfasser unbekannt".
Editorische Anmerkung:
Inge Lammel kommentierte das Lied wie folgt: "Als Antwort auf das große Hambacher Fest 1832, auf dem sich fünfundzwanzigtausend Menschen für Freiheit und einen einheitlichen deutschen Staat begeisterten, ließ der Frankfurter Bundestag eine Reihe demokratischer Freiheiten durch Gesetz aufheben. Als Protest hierauf organisierte eine Gruppe liberaler Bürger und Intellektueller in Frankfurt einen Aufstand, der als Signal zur Erhebung in ganz Deutschland dienen sollte. Jedoch das Militär griff ein und es gab Verwundete und Tote. Achtzehn Studenten wurden verhaftet, von denen es sechs gelang, nachts aus dem Gefängnis zu entfliehen. Dies geschah am 10. Januar 1837."
Nicht genannt wird in diesem Liederbuch indes die Quelle für diese Liedversion. Wie Wolfgang Steinitz 1962 offengelegt hat, basiert sie auf einer Einsendung an das Arbeiterliedarchiv der DDR aus dem Jahr 1955, die Ernst Weiss (Weimar) übermittelte; siehe Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Band 2. Berlin 1962, S. 87 (Edition J).
Die Melodie dieser Version geht zurück auf das tschechische Lied "Když se vás kdo táže, kde je Absolon", dessen Text wiederum eine Übersetzung von Sauerweins "Wenn die Fürsten fragen" war; siehe Vladimír Karbusický, Václav Pletka: Dělnické písně. Prag 1958, S. 158 (Nr. 127), S. 160f. (Nr. 129).
Diese in der tschechischen Arbeiterbewegung beliebte Melodie hat offenbar seit den 1920er Jahren auch in Deutschland die Singweise des Liedes von den sechs Studenten beeinflusst; vgl. die Melodieerinnerung einer sächsischen Gewährsfrau 1956 an die Zeit um 1920 in Dresden; bei Steinitz 1962, S. 99 (Edition Q).
Rückblickende Liedaufzeichnungen aus der Erinnerung, wie die beiden genannten, waren für die Zeit nach 1945 charakteristisch; zu weiteren Quellen des Arbeiterliedarchivs in diesem Kontext siehe Steinitz 1962, S. 86 (Edition H – Liederinnerung 1953: Sachsen 1895) und S. 89 (Nr. 14 – Liederinnerung 1954: Berlin 1890er Jahre).
last modified
30.10.2013 04:23