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Deutsch ist die Saar


Das Lied "Deutsch ist die Saar" ist 1920 von dem Saarbrücker Lehrer Hanns Maria Lux als nationales Bekenntnislied für Schüler geschrieben worden. Es wurde zum prominentesten der damals zahlreichen saardeutschen Gesänge und ab 1933 von den Nationalsozialisten instrumentalisiert. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg spielte das Lied als politische Heimathymne im Saarland eine wichtige Rolle.

I. Eine Folge der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg war das im Versailler Vertrag beschlossene "Saarstatut": 1920 wurde das Saargebiet vom Deutschen Reich abgetrennt und der Verwaltung durch den Völkerbund unterstellt. Zugleich übereignete man Frankreich die Saar-Kohlegruben zur Abgeltung von Reparationsforderungen. Nach 15 Jahren sollte eine Volksabstimmung über den endgültigen politischen Status des Saargebiets stattfinden. Ziel einer großen Mehrheit der Saarbevölkerung war von Beginn an die Wiedervereinigung mit dem Deutschen Reich, was an der Flut von Bekundungen nationaler Zugehörigkeit auf den Feldern Lyrik und Lied ablesbar ist. So schrieb im Herbst 1920 Hanns Maria Lux (1900–1967) auf die Melodie des bekannten Bergmannsliedes "Glück auf, Glück auf! Der Steiger kommt" das Bekenntnislied "Deutsch ist die Saar". Weil es "ursprünglich nur als Jugendlied gedacht" war (Lux 1932), ist die Botschaft schlicht: Für die Saarheimat bedeute die Nachkriegsordnung "Leid und Nacht", einmütig aber bekenne sich die Saarjugend zu ihrer nationalen und kulturellen Identität und bewahre sie bis zur Heimkehr zu "Mutter" Deutschland, mit der "das Glück" erst wiederkehre (Edition B).

II. Hanns Maria Lux hat die Entstehung von "Deutsch ist die Saar" mehrfach ausführlich geschildert. Danach verfasste er das Lied als Lehrer einer weithin bekannten Saarbrücker Reformschule während einer Unterrichtsstunde. Seine Autorschaft musste Lux aufgrund der politischen Lage im Saargebiet zunächst verschleiern. Erst ab Mitte der 1920er Jahre sind Lieddrucke mit seinem Namen nachweisbar (z. B. Edition B). Die wohl früheste Aufzeichnung des Liedes (Frühjahr 1921) stammt von einem Korrespondenten der in Berlin erscheinenden Zeitschrift "Saar-Freund": er hörte es von einem "Trupp zehnjähriger Saarbrücker Jungen" – vermutlich Schüler von Lux – und sah darin ein Zeugnis, dass das Saargebiet "deutsch ist und bleiben" werde (Edition A). Das Lied fand zunehmend Verbreitung und war um 1930 schließlich das bekannteste saardeutsche Bekenntnislied. Ausmachen lassen sich auch Neuvertonungen, die jedoch nur beschränkte Resonanz fanden (z. B. Edition C).

III. Mit Hitlers Machtergreifung 1933 änderten sich die Vorzeichen der nahenden Saarabstimmung: denn "Heimkehr" nach Deutschland bedeutete nun Anschluss an den NS-Staat. In der Propagandaschlacht im Vorfeld der Abstimmung änderte sich auch der Zungenschlag des Liedes "Deutsch ist die Saar". Auf öffentlichen Kundgebungen z. B. der im Saargebiet dominanten, NS-gesteuerten Deutschen Front spielte es eine zentrale Rolle. Das Saarlied von Lux und das "Horst-Wessel-Lied" stehen programmatisch am Beginn der Liederbücher "Saarvolk singt. Deutsche Lieder aus Freude und Leid" (Saarbrücken 1934) und "Deutsch ist die Saar" (Berlin 1934), dessen Vorderseite ein Ritter mit Hakenkreuz-Fahne zierte (Abb. 1). Nach dem deutlichen Votum für eine Rückgliederung des Saargebiets vom 13. Januar 1935 wurde das Lied "Deutsch ist die Saar" als Vermächtnis der "Kampfzeit" in viele NS-Liederbücher aufgenommen. Im "Liederbuch der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" findet es sich zunächst unter der Rubrik "Unsere Hymnen" (1938), dann im Kapitel "Volk will zu Volk (Der Weg zu Großdeutschland)" (1941). In einem handschriftlichen Liederbuch (Ostpreußen vor 1938) ist "Deutsch ist die Saar" singulär mit drei Ergänzungsstrophen belegt, die das Abstimmungsergebnis bejubeln (Edition F). Der auftrumpfende Nationalismus, der dem Lied ab 1933 anhaftete, wurde aber auch parodiert (Edition E).

IV. 1933 veräußerte Lux das Eigentumsrecht an seinem Liedtext für ein kleines Honorar an den Saarbrücker Musikalienhändler C. Strohmayer, auch "um endlich dem Wirrwar der vielen Lesarten ein Ende zu bereiten und der deutschen Öffentlichkeit eine endgültige Fassung zu verschaffen" (zit. nach Widmaier 2004). In der Schlussstrophe der von Lux in diesem Zusammenhang geschaffenen zweiten Liedversion schwor statt "Jung-Saarvolk" nun "ganz Saarvolk", niemals mehr "Knechte" sein zu wollen. Für Strohmayer dürfte die Verlagnahme des Liedes (Edition D) ein einträgliches Geschäft gewesen sein, Lux dagegen musste sich, z. T. auch gerichtlich, mit Neidern auseinandersetzen, die seine Texturheberschaft bestritten. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Lux als Verfasser von "Deutsch ist die Saar" für einige Zeit in französische Besatzungshaft genommen. Vor der zweiten Saarabstimmung (23. Oktober 1955) kam das Lied bei politischen Veranstaltungen erneut zum Einsatz: Und wieder hieß es im Anschluss, die Saar sei "heimgesungen" worden. "Deutsch ist die Saar" blieb in der Folge "die (heimliche) Nationalhymne der Saarländer" (Hannig 1988).

TOBIAS WIDMAIER
(August 2008)



Literatur
  • Tobias Widmaier: "Deutsch ist die Saar". Vom Fahrtenlied einer Reformschule zum rituellen "Trutzgesang" der Saar-Rückgliederungsfront: Stationen einer Liedkarriere 1920/21–1935. In: Lied und populäre Kultur/Song and Popular Culture. Jahrbuch des Deutschen Volksliedarchivs 49 (2004), S. 103–151 (Zitat Lux S. 137).
  • Jürgen Hannig: "Deutsch ist die Saar". Das Saarlied von Hanns Maria Lux. In: Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815–1955. Hrsg. von Klaus Mallmann u.a. Bonn 1988, S. 117–122 (Zitat S. 117).
  • Hanns Maria Lux: Das Lied der Treue. Wie das Saarlied entstand und zur Volkshymne wurde. In: Academia. Monatsschrift des CV deutscher Studentenverbindungen 47 (1934/35), Nr. 10/11 (Februar/März 1935), S. 213f.
  • Hanns Maria Lux: Das Lied der Dreißig. Wie das Saarlied entstand und zur Volkshymne wurde. In: Deutsche Sängerzeitung 26 (1934), S. 601.
  • Hanns Maria Lux: Vom Werden des Volksliedes. Die Geschichte eines "Saarliedes". In: Saar-Sänger-Bund 13 (1933/34), Nr. 7 (Oktober 1933), S. 156f.
  • Hanns Maria Lux: Wie das Saarlied entstand. In: Trierer Nationalblatt, Ausg. vom 26.8.1933.
  • Hanns Maria Lux: Die Geschichte eines Saarliedes. In: Saar-Freund 13 (1932), Nr. 8 (Ausg. vom 15.4.1932), S. 120f.

Weiterführende Literatur
  • Tobias Widmaier: Gesungene Propaganda. Lieder und Chöre zur Saarabstimmung 1935. In: Musik in Saarbrücken. Nachklänge einer wechselvollen Geschichte. Hrsg. von Nike Keisinger u. Ricarda Wackers. Saarbrücken 2000, S. 163–170 u. 233f.
  • Günter Scholdt: Die Saarabstimmung 1935 aus der Sicht von Schriftstellern und Publizisten. In: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 45 (1997), S. 170–200.
  • Gerhard Paul: Die Saarabstimmung 1935. Determinanten eines verhinderten Lernprozesses über den Faschismus an der Macht. In: Saarländische Geschichte. Eine Anthologie, hrsg. von Richard van Dülmen u. Reinhard Klimmt. St. Ingbert 1995, S. 300–312.
  • Heinrich Schneider: Das Wunder an der Saar. Ein Erfolg politischer Gemeinsamkeit. Stuttgart 1974 (S. 142f. und S. 448 zur Rolle des Liedes bei der Saarabstimmung 1955).
  • Ruf und Antwort. Ein Gruß der Freunde an Hanns Maria Lux, den Erzähler und Erzieher. Hrsg. von Walther Ottendorff-Simrock. Reutlingen 1965.


Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: kaum Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: vereinzelt auf Flugschriften, häufig in Gebrauchsliederbüchern
  • Bild-Quellen: gelegentlich auf Liedpostkarten
  • Tondokumente: selten auf Tonträger
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Tobias Widmaier: Deutsch ist die Saar (2008). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/deutsch_ist_die_saar/>.


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last modified 12.09.2012 11:35
 

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