D. Ach Russland, armes Russland
(Variante Kriegskommunismus)
Text: anonym
Ach Russland, armes Russland. | ||
/Aus der Zeit des Kriegskommunismus/ | ||
1. | Ach Russland, armes Russland, | |
Du bettelarmes Reich, | ||
Statt Stiefel trage mer Lapke, | ||
Mir stehn d'r Bettler gleich. | ||
2. | Als sie den Kaiser stürzten, | |
Da riefen sie – hurrah! | ||
Und klatschten in die Hände, | ||
Da war die Freiheit da. | ||
3. | Sie legten Kontribuzie | |
Auf tiefgeackert Land, | ||
Sie fresse Korn un' Waaze, | ||
Das is uns wohlbekannt. | ||
4. | Sie nehmen uns die Hinkel | |
Und Gäns un' Ente weg / wek /, | ||
Sie fresse die Butter un' Eier | ||
Un' auch den Schweinespeck. | ||
5. | Sie nehme' uns die Rinder, | |
Die Schafe un' die Küh', | ||
Vergeblich is die Arwait, | ||
Vergeblich is die Müh. | ||
6. | Un' alles was sie nehme | |
Des bringe se nach die Stadt, | ||
Un' frage die Regierung | ||
Was sie sonst nötig hat. | ||
7. | Sie trage uf ihre Brüste | |
Ein Sternche rot wie Blut, | ||
Un' klatsche in die Hände | ||
Un' sin' jetzt voller Mut. | ||
8. | Sin' so viel Kommissione | |
Im russische Regent | ||
D'r Daiwel kann es wisse, | ||
Ei, wie mer die all nennt. | ||
9. | Sin' so viel Kommissare | |
Wie Sand is an dem Meer. | ||
D'r Daiwel kann es wisse, | ||
Wu komme se nor all her? |
Aufgezeichnet in der Kolonie Stahl, Kanton Marxstadt (Wolgarepublik) im Jahr 1931 durch A. Justus; Gewährsperson: Gustav d. Chr. Justus, 22 Jahre alt.
DVA: DVL – M 15, Nr. 1 (W)
IRLI Handschr. Abt.: Fond 104 – 24 – 112, Veröffentlichung mit Genehmigung von IRLI RAN, Sankt-Petersburg.
Dort folgende handschriftliche Notiz zur Gewährsperson: "Mittelbauer – Kollectivist"
Editorische Anmerkung:
Str. 1, Vers 3: "Lapke" – Lapken bzw. Lapti sind billige, aus Birkenbast geflochtene Schuhe.
Str. 3, Vers 1: "Kontribuzie" – Kontributionen, hier: die Zwangsrequirierung von Nahrungsmitteln durch die kommunistische Regierung in den Bürgerkriegsjahren.
Str. 3, Vers 3: "Waaze" – Weizen
Str. 4, Vers 1: "Hinkel" – Hühner
Str. 8, Vers 3: "Daiwel" – Teufel
An dieser Version fällt der sprachliche Kontrast zwischen übernommenen und neuen Textpassagen auf: die neu hinzugedichteten Verse sind fast durchgängig im lokalen Dialekt geschrieben, die Elemente, die von der ursprünglichen Liedfassung übernommen wurden hingegen hochdeutsch.
last modified
25.01.2011 11:27