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Liederlexikon

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C. Wenn ich ein Vöglein wär'

(Erstveröffentlichung mit Melodie 1800)


Text und Melodie: anonym
 





Schweizervolkslied.

1. Wenn ich ein Vöglein wär',
Und auch zwei Flüglein hätt,
Flög ich zu dir;
Weil's aber nit kann seyn,
Bleib' ich allhier.
 
2. Es vergeht kein' Stund' in'r Nacht
Ohn' dass mein Herz erwacht
Un an dich gedenkt! ―
Wie du mir viel tausendmal
Dein Herz geschenkt.


Johann Friedrich Reichardt: Lieder aus dem Liederspiel Lieb' und Treue. Dritte Auflage. Berlin: Johann Friedrich Unger 1801, S. 16.
DVA: B 50535 (Original: Bruxelles, Bibliothek des Conservatoire Royale de Belgique, Sign.: Litt.R. No. 11090).


Editorische Anmerkung:
Die erste, 1800 im Berliner Verlag Unger erschienene Auflage der "Lieder aus dem Liederspiel Lieb' und Treue" ist bibliothekarisch nicht nachweisbar. In der vorliegenden Ausgabe der Lieder aus Johann Friedrich Reichardts Liederspiel "Lieb' und Treue" (UA Berlin 31.3.1800) ist vermerkt, dass "Wenn ich ein Vöglein wär'" dort von den Bühnenfiguren "Henriette u. Louis" gesungen wird. Dabei handelt es sich um die beiden Kinder eines in den politischen Wirren nach der französischen Revolution guillotinierten Gutsbesitzers, die nach zweijähriger Flucht als "Schweizerbuben" verkleidet wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind; vgl. Liebe [sic] und Treue. Ein Liederspiel in Einem Aufzuge [Textbuch]. Nach Melodien von Johann Friedrich Reichard[t]. Berlin: Johann Friedrich Unger 1800, S. 47f. (Bayerische Staatsbibliothek München, Sign.: Slg. Her 1000; als Digitalisat online verfügbar). Das Lied spielt in Reichardts Singspiel eine dramaturgisch wichtige Rolle: Es erinnert Rose, die Tochter des treuen Gutspächters, der den Besitz seines ehemaligen Herrn gerettet hat, an den verschwundenen Louis, den sie immer noch liebt (vgl. ebd., S. 26–28). Nachdem dieser und seine Schwester sich schließlich zu erkennen geben, ist ein Happyend vorprogrammiert; zum Inhalt des Liederspiels sowie zu dessen autobiographischen Bezügen vgl. weiterführend Renate Moering: Johann Friedrich Reichardts Liederspiele. In: Das deutsche Singspiel im 18. Jahrhundert. Colloquium der Arbeitsstelle 18. Jahrhundert […] 1979. Heidelberg 1981, S. 191–211.
Im Vorwort des Textbuchs erläutert Reichardt ausführlich diesen "erste[n] Versuch", das "angenehme Geschlecht der französischen Vaudeville-Stücke auch der deutschen Bühne anzueignen. Das deutsche Theater entbehrte bis jetzt diese Gattung des Singspiels" (S. 3). In den Vaudeville-Stücken würden "bekannte Lieder oder wenigstens ihre Melodien" verwendet, "um kleine ländliche und komische Handlungen mit Gesang zu beleben": Für das Publikum habe es "etwas sehr angenehmes, ein bekanntes und beliebtes Lied am paßlichen Ort von einer schönen Stimme, mit angemessener Begleitung von Instrumenten wieder zu hören, und sie wohl besser vortragen zu hören als man sie vorher in gesellschaftlichen Kreisen vernahm. Für diejenigen aber[,] die ein solches Lied noch nicht vorher gekannt, ist das auch die angenehmste und sicherste Weise[,] ein solches Lied kennen und fassen zu lernen" (S. 4f.). In sein Singspiel "Lieb' und Treue" habe er u. a. "ein paar allerliebste Schweizer-Volkslieder mit ihren Worten und eigenthümlichen Melodieen ganz eingewebt" (S. 7). Woher oder seit wann Reichardt "Wenn ich ein Vöglein wär'" kannte, das in der Notenausgabe des Singspiels "Lieb' und Treue" den Titel "Schweizervolkslied" trägt (also zu den von ihm mit Text und Weise übernommenen Liedern gehört), ist nicht mehr zu klären. Die Melodie jedenfalls griff Reichardt bereits in der Ouvertüre des – von der Handlung her auf einer Alm in den Schweizer Bergen angesiedelten – Singspiels "Jery und Bätely" auf (Text: Johann Wolfgang von Goethe; Klavierauszug 1794, UA Berlin 30.3.1801); vgl. Gabriele Busch-Salmen u. Walter Salmen: Jery und Bätely. In: Goethe Handbuch, Supplemente Bd. 1: Musik und Tanz in Bühnenwerken. Hrsg. von Gabriele Busch-Salmen unter Mitarbeit von Benedikt Jeßing. Stuttgart, Weimar 2008, S. 249–268 (zur Verwendung der Melodie von "Wenn ich ein Vöglein wär'" in der Ouvertüre S. 259–262). In einer zeitgenössischen Besprechung des Klavierauszugs von "Jery und Bäteli" heißt es: "Die Overtura fängt an mit der Melodie des bekannten Liedchens: Wenn ich ein Vöglein wär' – Das ist ja recht sehr gut; nicht nur, weil dies Lied und seine Melodie fast in Jedermanns Munde sind, sondern auch, weil die Melodie an und vor sich selbst etwas werth ist und das aussagt, was sie soll; weil sie auch besonders hier dem Zuhörer sogleich angiebt, was er zu erwarten hat, und ihn in die rechte Stimmung zu setzen versucht" (Allgemeine Musikalische Zeitung 4 [1801/02], Sp. 259).
In Friedlaender 1902 findet sich der Hinweis, dass Nr. 4 der "Lieder mit Melodien zum Gebrauch der Loge [zu den drey Degen in Halle]" (Halle 1784) "mit der Volksmelodie 'Wenn ich ein Vöglein wär' beginnt" (Bd. 1/1, S. 304). Dies konnte bislang nicht verifiziert werden.
last modified 24.04.2012 10:11
 

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