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You are here: Home Lieder Zu Freiburg lebt und tat viel Buß Edition B: Studentenlied 1855
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B. Zu Freiburg lebt und that viel Buß

(Studentenlied 1855)


Text und Melodie: anonym

Scan der Editionsvorlage
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1. Zu Freiburg lebt und that viel Buß'
Der Pfarrer Carl Pistorius;
Er, der zu Freiburg Pastor war,
Das | Gute wollt' er immerdar.[S. 303]
 
2.Daselbst wohnt auch ein Mägdulein,
Die wollte gern Frau Pastor'n sein,
Verlockt' ihn eines Abends spat,
Ein Knäblein war das Resultat.
 
3.Die Schand' ertrug der Pastor nicht,
Er bracht' mit einem Kirchenlicht
Das neugeborne Knäblein um. –
Entsatze dich, o Publikum!*
 
4.Die arme Mutter starb vor Gram,
Eh' sie noch aus den Wochen kam,
Und Kind und Mutter schlafen Beid'
Den Schlaf der ew'gen Seelugkeit.
 
5.Dem Tod durch's Rad entging Pistor,
Er schifft sich ein nach Baltimor',
Und büßet dort im fremden Land,
Die Schuld als Essigfabrikant.
 
6.Und die Moral von der Geschicht?
Verführe keinen Pastor nicht,
Denn Einer von der Geistlichkeit
Ist wahrlich keine Kleinigkeit!


Commers-Buch für den deutschen Studenten. Magdeburg: Gebrüder Baensch 1855, S. 301–303 (Nr. 233).
 
*) Dazu die Fußnote: "alias: Bedenk' den Fall, o Publikum!"


Editorische Anmerkung:

Der Text zur ersten Melodie weist eine geringfügige Abweichung auf (Vers 2 "Pfarrherr" statt "Pfarrer"). Die beiden letzten Verse der fünften Strophe wurden von der vermutlich 1835 entstandenen Moritat "Auf die Verschwörung des Leutnants Koseritz" übernommen, deren letzte Strophe lautet:

Drum hütet euch vor Hochverrat,
ihr guten Württemberger!
Denn solche Missethat
Wird oft bestraft noch ärger!
Er [Koseritz] büßt in einem fremden Land
Die Schuld als Essigfabrikant.

Der in württembergischen Diensten stehende Ernst Ludwig Koseritz (1805–1838) war Anfang 1835 wegen revolutionärer Umtriebe zum Tode verurteilt, vom damaligen König Wilhelm I. aber letztlich begnadigt worden, der ihm stattdessen in die Verbannung nach Amerika abschieben ließ. Zeitgenössischen Nachrichten zufolge soll Koseritz tatsächlich in Washington eine Essigfabrik errichtet haben; vgl. Geschichtliche Lieder und Sprüche Württembergs. Im Auftrage der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte gesammelt und hrsg. von Karl Steiff und Gebhard Mehring. Stuttgart: W. Kohlhammer 1912, S. 919–923.

Die zweite, dem Lied "Zu Freiburg lebt und that viel Buß" in der vorliegenden Quelle zugewiesene Melodie wurde von einer seinerzeit offenbar recht populären Moritatenparodie ("Sie hat ihr Kind, sie hat ihr Kind") übernommen, von der bislang jedoch nur einige wenige Spuren ermittelt werden konnten. So zeigt ein um 1843 veröffentlichtes illustriertes Blatt zu den auf der Dresdner Vogelwiese (einem traditionsreichen Volksfest) gebotenen Vergnügungen in einer kleinen Vignette einen Bänkelsänger, dem die Zeilen "Sie hat ihr Kind, sie hat ihr Kind mit einem Löffel todt geschossen" in den Mund gelegt sind; vgl. Handbuch der Deutschen Volkskunde, hrsg. von Wilhelm Peßler, Bd. 2. Potsdam [1938], Abb. nach S. 216.

Die Melodien des Liedes "Zu Freiburg lebt und that viel Buß" wurden damals auch anderen Liedtexten unterlegt: Im vorliegenden "Commers-Buch für den deutschen Studenten" folgen auf den Abdruck von "Zu Freiburg lebt und that viel Buß" noch die Texte einiger weiterer Moritatenparodien, die den Melodieverweis "Zu Freiburg lebt und that viel Buß" tragen, u. a. "Ihr Leutchen tretet her zu sehn, was jüngst in Frankreich ist geschehn" (S. 303f., Nr. 234) und "Zu Hohenprießnitz an der Muld'" (S. 309f., Nr. 238).

"Zu Freiburg lebt und tat viel Buß" findet sich in der Folgezeit in weiteren Studentenliederbüchern, etwa in:
  • Allgemeines Deutsches Commersbuch. Lahr: M. Schauenburg/Leipzig: G. E. Schulze 1858, S. 437 (Anhang Nr. 72; nur Text);
  • Allgemeines Reichs-Commersbuch für Deutsche Studenten. Hrsg. von Müller von der Werra. Leipzig: Breitkopf und Härtel 1875, S. 497 (4. Teil: Kneiplieder, Nr. 85; mit Melodie 1);
  • Dorpater Burschenliederbuch. Hrsg. von Nicolaus Th. Seeler. Dorpat: Carl Krüger 1882, S. 157 (Nr. 109; nur Text);
  • Neues Deutsches Kommersbuch. [Hrsg. von Wilhelm Fabricius]. Dresden o. J. [1911], S. 605f. (mit Melodie 1).
Belege in allgemeinen Gebrauchsliederbüchern sind dagegen sehr selten.
last modified 07.04.2016 05:28
 

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