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You are here: Home Lieder Zu Frankfurt an dem Main Edition C: Herwegh Überarbeitung 1848/1877
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C. Zu Frankfurt an dem Main

(Herwegh Überarbeitung 1848/1877)


Text: Georg Herwegh (1817–1875)

Scan der Editionsvorlage
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Das Reden nimmt kein End.
 
1848.
 
1. Zu Frankfurt an dem Main –
Sucht man der Weisen Stein;
Sie sind gar sehr in Nöten,
Moses und die Profeten,
Präsident und Sekretäre,
Wie er zu finden wäre –
Im Parla – Parla – Parlament
Das Reden nimmt kein End!
 
2. Zu Frankfurt an dem Main –
Da wird man uns befrein;
Man wird die Republiken
Im Mutterleib ersticken,
Und Bassermann und Welcker
Beglücken dann die Völker
Im Parla – Parla – Parlament
Das Reden nimmt kein End! |[S. 29]
 
3. Zu Frankfurt an dem Main –
Bald zieht der Kaiser ein!
Schon träuft der Gnade Manna,
Ihr Knechte, Hosiannah!
Matthy, der Schuft, Minister –
Triumf, ihr Herrn Philister!
Im Parla – Parla – Parlament
Das Reden nimmt kein End
 
4. Zu Frankfurt an dem Main –
Die Wäsche wird nicht rein;
Sie bürsten und sie bürsten,
Die Fürsten bleiben Fürsten,
Die Mohren bleiben Mohren
Trotz aller Professoren
Im Parla – Parla – Parlament
Das Reden nimmt kein End!
 
5. Zu Frankfurt an dem Main –
Ist Alles Trug und Schein.
Alt Deutschland bleibt zersplittert,
Das Kapitol erzittert,
Umringt von Feindeslagern,
Die Gänse giga – gagern
Im Parla – Parla – Parlament
Das Reden nimmt kein End! |[S. 30]
 
6. Zu Frankfurt an dem Main –
So schlag der Teufel drein!
Es steht die Welt in Flammen,
Sie schwatzen noch zusammen,
Wie lange soll das dauern?
Dem König Schach, ihr Bauern!
Dein Parla – Parla – Parlament,
O Volk, mach ihm ein End!


Georg Herwegh: Neue Gedichte. Herausgegeben nach seinem Tode. Zürich: Verlags-Magazin 1877, S. 28–30.
DVA: B 50341


Editorische Anmerkung:
Vermutlich entstand auch Herweghs Überarbeitung des Gedichtes im Jahr 1848, möglicherweise als Reaktion auf die Frankfurter Septemberunruhen. Veröffentlicht wurde der Text in dieser Form jedoch erst nach Herweghs Tod, im Jahr 1877.
Als Vorlage für diese veränderte Neuausgabe wird ein (undatiertes) Manuskript Herweghs angenommen, das sich in seinem Nachlass erhalten hat (Herwegh-Archiv im Dichter- und Stadtmuseum Liestal/Schweiz, Ma 33). Zu den Lesarten und Varianten siehe ausführlich: Georg Herwegh. Gedichte 1835–1848. Bearbeitet von Volker Giel (= Georg Herwegh: Werke und Briefe. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe. Hrsg. von Ingrid Pepperle. Band 1). Bielefeld: Aisthesis Verlag 2006, S. 260–261 und S. 826–830; hier bes. S. 828, Anm. 260, 18.

In dieser zweiten Fassung des Gedichtes hat Herwegh fast alle Strophen in den Details der einzelnen Verse überarbeitet. Die Grundstruktur des Textes blieb jedoch unverändert; Erläuterungen dazu siehe editorische Anmerkung zu Edition A.
Gänzlich neu gegenüber der Fassung vom 7. Juli 1848 ist die 5. Strophe. Ihr Inhalt deutet darauf hin, dass Herwegh seine Überarbeitung angesichts der Frankfurter Septemberunruhen 1848 sowie des Aufstandsversuchs von Gustav Struve in Baden vorgenommen haben könnte. Hintergrund dieser Ereignisse war der umstrittene Waffenstillstand von Malmö zwischen Preußen und Dänemark im Schleswig-Holsteinischen Krieg (26. August 1848), als Preußen gänzlich eigenmächtig handelte und damit die Frankfurter Nationalversammlung düpierte. Die nachträgliche Zustimmung des Paulskirchenparlaments zu diesem Waffenstillstandsabkommen (16. Sept. 1848) führte zu Tumulten in unmittelbarer Umgebung der Paulskirche und zu Barrikadenkämpfen in Frankfurt (18. Sept. 1848), kurz darauf rief Gustav Struve in Lörrach die deutsche Republik aus und begann damit den zweiten demokratischen Aufstand in Baden. Auf diesen Kontext könnten insbesondere die Verse: "Alt Deutschland bleibt zersplittert" (Preussen vs. Nationalversammlung) sowie "Das Kapitol erzittert, / Umringt von Feindeslagern" (Frankfurter Unruhen) Bezug nehmen. Auch die Schlussbotschaft "O Volk, mach ihm ein End!" hatte in den neuerlichen Aufstandsversuchen einen nunmehr wieder konkreten Bezug.

Es war diese überarbeitete Fassung des Herwegh-Gedichtes, welche die Rezeption bestimmte. In dieser Version erschien es z.B. in:
  • Christian Petzet: Die Blütezeit der deutschen politischen Lyrik von 1840 bis 1850. München 1903, S. 159;
  • Von unten auf. Ein neues Buch der Freiheit. Gesammelt und gestaltet von Franz Diederich. Berlin: Vorwärts 1911, Bd. 1, S. 342f. (ebenfalls enthalten in den späteren, veränderten Auflagen des Buches von 1920 und 1928);
  • Der Freiheit einer Gasse. Aus dem Leben und Werk Georg Herweghs. Hrsg. von Bruno Kaiser. Berlin 1948;
  • Die Achtundvierziger. Lesebuch für unsere Zeit. Hrsg. von Bruno Kaiser. Berlin 1952.
 
last modified 31.08.2011 03:42
 

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