Die Mühle, die dreht ihre Flügel copied.
B. Ein Dampfboot, dessen Name Austria
(Handschriftliches Liederbuch 1860–1863)
Text: anonym
Der Brand der Austria. | ||
Mel.: Denkst du daran, mein tapfrer Legian … | ||
1. | Ein Dampfboot, dessen Name Austria | |
Von Hamburg kommt es rasch daher gezogen | ||
Es ist bestimmt nach Nordamerika | ||
Bewohnt mit vielen lieben Menschenseelen | ||
Gar Mancher der verläßt sein Vaterland | ||
Und Niemand ahnet daß er sollte wählen | ||
Den Tod des Meeres, oder Tod durch Brand [.] | ||
2. | So eben war die Mittagszeit verflossen | |
Da brach ein Schreckenselement sich Bahn | ||
Ein Feuerschlund ist überall gegossen | ||
Die Fahrt des Schiffes facht sehr rasch es an | ||
Im langen starck bewohnten Zwischendecke | ||
In hellen Strömen es zur Erde träuft | ||
Wo Hab u. Gut bis in der kleinsten Ecke | ||
An jeder Stätte waren angehäuft [.] | ||
3. | Rauchwolken bahnten überall sich Wege | |
un[d] Feuerglocken kreuzten rings umher | ||
Und immer kräftger wird die Flamme rege | ||
Ein Angstgeschrei ertönt verhängnißvoll | ||
Der Macht des Element, des fesselfreien | ||
Entrinnet eiligst Mann u. Weib u. Kind | ||
Und an des kräftgen Seemanns Männerreihen | ||
Ertönt der Officire Wort geschwind [.] | ||
4. | Doch ob im umsichtsvollen Augenmerke | |
Man Rath u. Hülfe leistet hier u. dort | ||
Die übergroße Angst u. Menschenstärke | ||
Bringt nicht ein Boot mit Vorsicht über Bord | ||
Wie rasend füllen sich die kleinen Schalen | ||
Der Mannschaft Schreien wird ganz überhört | ||
Und wer entrinnt des Feuerschlundes Qualen | ||
Wird von den wilden Wellen gleich verzehrt [.] | | [fol. v.] | |
5. | Das Element kennt Zügel nicht u. Schranken | |
Das Angstgeschrei tönt weit hin übers Meer | ||
Die starken Masten fangen an zu wanken | ||
Kein rettend Schiff kommt in der Ferne her | ||
Es bleibt die Wahl nur noch den Armen über | ||
Des wilden Meeres oder Flammentod | ||
Und viele wählen sich das erste lieber | ||
Ihr letzt Gebet steigt auf zum ewgen Gott [.] | ||
6. | Ein Gatte segnet alle seine Lieben | |
Und stürzt sie sammt der Gattin in die Fluth | ||
Den Säugling, der in seinem Arm geblieben | ||
Drückt er ans Vaterherz mit Liebesgluth | ||
Vertraut auf Gott, stürzt er sich mit dem Kleinen | ||
Den schon vorangeschickten Lieben nach | ||
Das Auge, welches nicht erstarrt, muß weinen | ||
Und jeder Brust entquillt ein tiefes Ach! | ||
7. | Doch nein, ich lege meine Feder nieder | |
Wer kann beschreiben dieses Schreckensbild | ||
Nur etwas dieses Schicksals geb ich wieder | ||
Das Leidenmaß war nur erst halb gefüllet | ||
Zwar Einige, die wurden noch gerettet | ||
Durch braver edler Biedermänner Hand | ||
Was sonst nicht liegt im Meeressand gebettet | ||
Ist durch das Schreckenselement verbrannt. |
[Abschrift aus:] Handschriftliches Liederbuch des Seemanns Marcus Schlüter aus Dückermühle bei Glückstadt in Holstein 1860–1863, Nr. 55.
DVA: A 154409
Editorische Anmerkung:
Der Melodieverweis bezieht sich auf das Lied: "Denkst du daran, mein tapfrer Lagienka" von Karl von Holtei (1826).
last modified
27.08.2012 12:25