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You are here: Home Lieder So hasset die Sorgen Edition B: Mähren um 1850
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B. So hasset die Sorgen

(Mähren um 1850)


Text und Melodie: anonym

Scan der Editionsvorlage
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Kalenderlied

1. So hasset die Sorgen, verjaget sie gar.
Der Himmel bescher' uns ein fröhliches Jahr.
Wir wollen den neuen Kalender ansehn
Und alle die Monat mit Freuden durchgehn.
 
2. JÄNUARI, von Natur die Erde erstarrt.
Saturnus wird kräftig, das Wasser wird hart.
Jetzt fängt sich das lustige Königreich an,
Man fahret mit Schlitten, verschönert die Bahn.
 
3. Im Hornung, da sucht man die Fasching heraus,
Da heißt es, ihr Brüder, wir haben ein Schmaus.
Gebratenes, Gesottenes und anders noch mehr,
Und was uns ja alle ergötzet recht sehr.
 
4. Im Märzen der Bauer die Ochsen anspannt,
Er pflüget die Felder und bauet das Land.
Er pflüget und pflanzet die Bäumchen und Land,
Das bringet uns öfter ein' fröhlichen Stand.
 
5. APRILIS bekleidet die Erde mit Klee,
Bald bringt er uns Sonne, bald Regen, bald Schnee.
Die Vögerlein fangen zu singen schön an,
Die Venus nimmt aber die Juva zum Mann.
 
6. Im Mai, da ist alles mit Blumen geschmückt,
Hat Florius seiner Liebsten ein Sträußchen geschickt.
Dem Jubach, dem träumet im süßesten Schlaf,
Als wäre er Venus und scheret die Schaf.
 
7. Im Brachmonat trägt man von Strohe ein Hut,
Da grünen die Felder, erfrischen den Mut.
Da stehet die Sonne im höhesten Grad,
Da dürsten die Menschen, und suchen ein Bad. |[S. 13]
 
8. JULIUS wird jetzt auch von Hiron erhitzt,
Bald donnerts, bald regnets, bald schlagt es, bald blitzts.
Sucht Sicheln, sucht Sensen, die Ernte fängt an,
Die Felder stehn schwanger, drum greifet sie an.
 
9. AUGUSTUS läßt sammeln die Scheuer mit Frucht,
Es werden auch Früchte in Büschen gesucht.
Wer will denn noch wissen, was öfter geschieht?
Nartrolius ißt Nüsse, und Nattern zerbricht.
 
10. September bringt uns auch der Früchte noch mehr,
Ei Äpfel und Birnen und was man begehrt.
Drum tut sie zusammen und bringt sie zur Herd,
Es kommet der Winter, der alles verzehrt.
 
11. Seid fröhlich, der Weinmonat bringt uns die Kraft,
Aus Trauben wird geleitet der süßeste Saft,
Und alle die Menschen zur Fröhlichkeit bringt,
Drum singet und springet, zusammen wohl stimmt.
 
12. MARTINUS hat uns auch ein Gänslein gemäst't,
Gevatter Hans, laufe und lade die Gäst!
Andreas schaff alles zum Keller und Koch,
Das wilde Schwein lauft nah im wildesten Joch.
 
13. Was bringt uns denn letztlich der Christmonat ein?
Aus zweien vermehre die Zahle an drei'n,
Wir beide vor Kälte zusammengerückt,
Ist eines dem andern von Herzen vergnügt.
 
14. Die Monat verhalten sich alle recht wohl,
Der eine macht Kurzweil, der andre macht voll,
Der dritte bestellet, der vierte macht was,
Der fünfte bringt Freuden, der sechste macht Spaß.
 
15. Der siebente bringt Wärme, der achte trägt ein,
Der neunte bringt Nahrung, der zehnte bringt Wein,
Der elfte gastieret, der zwölfte macht Lust,
So sind uns die Monate alle bewußt.


Aufzeichnung aus Seitendorf, Mähren (Kuhländchen), 1850er Jahre; überliefert von Karl Magnus Klier, in: Das deutsche Volkslied 30 (1928), S. 12f.
DVA: VZ 1085

Dort folgende Herkunftsangabe: "Kalenderlied, gesungen zur Neujahrszeit in Seitendorf bei Fulnek in Mähren (Kuhländchen), aufgeschrieben in den Fünfzigerjahren von Matthias Irmler, Schneider und Dorfmusikante."
K. M. Klier kommentiert das Lied wie folgt: "Das Lied wurde, wie aus einem beigefügten alten Schreiben ersichtlich ist, mehrstimmig und mit Geigenbegleitung gesungen. Der Text klingt kunstmäßig in der Art der Aufklärerpoesie. Aus ihm ist wahrscheinlich das volkstümlichere Bauernlied 'Im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt' hervorgegangen; die obige vierte Strophe wurde darin zum Anfangsgesätz. Noch deutlicher zeigen die beiden Weisen die Abhängigkeit, ja Übereinstimmung.¹ Man vergleiche ferner Amft, 'Volkslieder der Grafschaft Glatz', Nr. 702, mit dem Nachweis, daß der Text auf fliegenden Blättern verbreitet worden war, so vom Verlag F. Bär in Neisse und A. Ludwig in Oels".

¹ Vgl. J. Pommer, 'Liederbuch für die Deutschen in Österreich', und Fraungruber-Pommer, Deutsches Schulliederbuch. II.


Editorische Anmerkung:

Die bibliographischen Verweise Kliers beziehen sich auf: [Josef Pommer:] Liederbuch für die Deutschen in Österreich. Hrsg. vom Deutschen Club in Wien. 2. unveränd. Aufl. Wien 1884, S. 224 (Nr. 163); Deutsches Schulliederbuch. Mit besonderer Berücksichtigung des echten deutschen Volksliedes und volkstümlicher Weisen. Ausgewählt von Hans Fraungruber und Dr. Josef Pommer. II. Heft (für das 3. und 4. Schuljahr). 2. verb. Aufl. Wien 1911; sowie Georg Amft: Volkslieder der Grafschaft Glatz. Habelschwerdt 1911 (vgl. Edition C).
Fundort und Verbleib der Handschrift, auf die sich Klier stützt, bleiben unbekannt. Die Verlässlichkeit dieser Quelle ist daher nicht gesichert. Im Kontext der gesamten Liedüberlieferung erscheinen Kliers Angaben jedoch durchaus glaubwürdig, auch hinsichtlich der Datierung – völlige Sicherheit bietet diese Quelle jedoch nicht.
Ein weiterer früher Beleg dieser Liedmelodie aus dem Kuhländchen stammt vom mährischen Volksliedsammler Joseph Goetz (1855–1918) und wurde von ihm nach 1893 in Frankstadt aufgezeichnet (DVA: A 183931). Auch diese Quelle steht in unmittelbarer Verbindung zu "Im Märzen der Bauer" (vgl. DVA: A 183932).
last modified 21.06.2012 10:10
 

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