C. Sabinchen war ein Frauenzimmer
(Bänkelsängerlied vor 1914)
Text: anonym
Der Schuster von Treuenbrietzen | ||
1. | Sabinchen war ein Frauenzimmer | |
Sie war auch tugendhaft, | ||
Darum war auch zufrieden immer | ||
Mit ihr die Dienstherrschaft. | ||
2. | Da kam aus Treuenbrietzen | |
ein junger Mann daher | ||
der wollte das Sabinchen besitzen | ||
und war ein Schuhmacher. | ||
3. | Ihr Geld hat er versoffen | |
in Brantewein und Bier | ||
da kam er zu Sabinchen geloffen | ||
und wollte welches von ihr. | ||
4. | Sie konnt ihm keines geben | |
drum stahl sie auf der Stell | ||
von ihrer saubern Dienstherrschaft | ||
zwei silberne Blechlöffel. | ||
5. | Doch schon nach sieben Wochen | |
da kam der Diebstahl raus | ||
Da sperrt man das Sabinchen | ||
…? | | [fol. v.] | |
6. | "O du verfluchter Schuster, | |
du rabenschwarzer Hund!" | ||
Da nahm er sein Rasiermesser | ||
und schnitt ihr ab den Schlund. |
Liedaufzeichnung von Hermann Göpfer aus Virchow (Kreis Dramburg/Pommern) auf Grundlage eigener Erinnerungen, eingesandt im Dezember 1930 an das Pommersche Volksliedarchiv (und von dort im August 1934 dem Deutschen Volksliedarchiv zugeleitet).
DVA: A 152286
Editorische Anmerkung:
Göpfers Liedeinsendung war offenbar eine Reaktion auf eine Umfrage des Pommerschen Volksliedarchivs. Vor dem mitgeteilten Liedtext bemerkte er einleitend:
"Auf Umfrage nach Sängern von Moritaten ist mir folgendes bekannt: Auf Jahrmärkten der Umgegend sind mir des öfteren in der Vorkriegszeit solche Sänger begegnet. Vortrag geschah mit oder ohne Leierkasten. Gemeinsam allen eine in Felder geteilte Bildertafel, auf der die einzelnen Stadien des Dramas abgebildet waren. Bei jeder Strophe wurde mit einem langen Stocke auf das einzelne Feld der Tafel gezeigt, welches in der Strophe behandelt wurde. Im Gedächtnis haften mir noch Bruchstücke wie z. B. Der Schuster von Treuenbrietzen [folgt Liedtext]".
Nach den sechs mitgeteilten Strophen merkt Göpfer an, dass das Lied noch weitergegangen sei: "Zum Schluß wurde der Schuster aufgehängt. Im übrigen weise ich darauf hin daß hin und her in den verschiedensten Vereinen auch heute noch ähnliche Sachen vor[ge]tragen werden. Die Texte nebst Zubehör, Bildtafeln usw. sind in verschiedenen Theaterverlagen z. B. Danner Mülhausen i. Thür. erhältlich."
Im Deutschen Volksliedarchiv liegt die Publikation eines solchen Theaterverlages vor, in der sich eine stark abweichende Textfassung der "Sabinchen"-Moritat findet (Sabine oder Der blutdürstige Schustergeselle. Eine höchst grausige Mordgeschichte in 9 Bildern, einer wahren Begebenheit [sic] nacherzählt); für Aufführungen im privaten oder öffentlichen Rahmen bot der Verlag zum Preis von 30 Mark dazu "Bild[tafel], Lied und Beschreibung" an (Der lustige Bänkelsänger. Eine Sammlung der effektvollsten Schauerballaden u. Mordgeschichten. 3., bedeutend vermehrte Auflage. Dresden: Wilhelm A. Schwarze o. J. [1920], S. 10f.).
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19.06.2012 11:42