C. Kommt ihr Brüder, wir wollen ziehen
(Krim 1926)
Text und Melodie: anonym
1. | Kommt ihr Brüder, wir wollen ziehen, | |
Unsre Päss sind schon geschrieben, | ||
Fort nach dem Brasilischen Ort, | ||
Weil es gibt kein Winter dort. | ||
2. | Hier können wir ja nicht mehr leben, | |
Weil wir müssen Soldaten geben, | ||
Und als Ratnik müssen wir stehen, | ||
Drum wollen wir aus Russland gehen. | ||
3. | Denn der Kaiser hats beschlossen, | |
Wollt uns all aus Russland lassen, | ||
Denn er hatt's uns freigestellt, | ||
Weil wir ziehen für unser Geld. | ||
4. | Wenn wir nach Hamburg kamen, | |
Wird uns unser Geld genommen, | ||
Bis wir kommen an das Meer, | ||
Sein uns alle Säcke leer. | ||
5. | Wenn wir in das Schiff einsteigen, | |
Wollt uns Gott auch Gnad verleihen, | ||
Und wenn wirs fahren auf dem Meer, | ||
Schickt uns Gott ein Engel her. | ||
6. | Wenn wir auf dem Meere fahren | |
Woll uns Gott auch all bewahren, | ||
O Gott, streck aus deine Hand, | ||
Dass wir kommen in das Land. | ||
7. | Wenn wir nach Brasilien kamen, | |
Werden wir neu aufgenommen, | ||
Wo die schönsten Häuser sein, | ||
Ziehen wir auch gleich hinein. | ||
8. | Dann wird der Kaiser gleich an uns denken | |
Wird uns Bier und Wein einschenken, | ||
Schenk nur ein – austrinken wir. | ||
Ei, wie gut schmeckt uns das Bier. | ||
9. | In Amerika ist gut zu leben, | |
Dort wachsen ja auch die Reben, | ||
Die Trauben wachsen an den Bäumen, | ||
Lasst uns alle fröhlich sein. | ||
10. | Drum wollen wir den Herrn auch danken, | |
Der uns hat in jenen Schranken | ||
Und so sicher hat geleit, | ||
Und uns unser Herz erfreut. | ||
11. | Ihm sei Lob und Ehr erwiesen, | |
Er sei von uns all gepriesen, | ||
Jetzt und all und jeder Zeit | ||
Und in aller Ewigkeit. |
Aufgezeichnet in der Kolonie Kronental (Krim) im Sommer 1926 durch Ellinor Johannson; Abschrift aus einem handschriftlichen Liederheft; Melodieaufnahme Dezember/Januar 1927/28 ebd., Sänger: Benno Weber (geb. 1905), Transkription: Eugen Hippius (Leningrad 1928).
DVA: DVL – M 5, Nr. 1 (Text) und K I, Nr. 21 b (Tonaufzeichnung)
IRLI: Handschriften Abt.: Fond 104 – 12 – 8 (Text); Phonogrammarchiv: FV 5871.02 (Tonaufzeichnung). Veröffentlichung mit Genehmigung von IRLI RAN, Sankt-Petersburg.
Editorische Anmerkung:
Die Transkription der Tonaufzeichnung von Eugen Hippius ist im Phonogrammarchiv St. Petersburg nicht überliefert. Sie wurde 1928 im Notenanhang zu Viktor Schirmunskis Artikel "Das kolonistische Lied in Rußland" abgedruckt; in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 37/38 (1927/28), S. 212 (Nr. 6). – Eine weitere, abweichende Transkription dieser Aufnahme durch den Musiklehrer W. Haufler aus Feodosija (Krim), ist im Phonogrammarchiv zwar erhalten (Mappe 50–1, Bl. 39b), wurde aber seinerzeit offenbar schon als ungenügend empfunden: Schirmunski bevorzugte die oben genannte Übertragung des Leningrader Musikethnologen Hippius. Hauflers Transkriptionen wurden auch nicht in den damaligen Melodienkatalog (auf Karteikarten) der Schirmunski-Sammlung übernommen.
Ellinor Johannson zeichnete das Lied in Kronental damals noch in zwei weiteren Varianten auf:
- M 5, Nr. 2: 8 Strophen, Winter 1928, Gewährsperson: Michael Kist (geb. 1871),
- M 5, Nr. 3: 7 Strophen, Sommer 1927, aus dem Liederheft von Erna Hoffmann (geb. 1907).
Der oben edierte Liedtext (M 5, Nr. 1) entspricht der 1929 von Ellinor Johannson dem Deutschen Volksliedarchiv (DVA) überlassenen Liedaufzeichnung A 102263. Die dazugehörende Melodieaufnahme wurde dem DVA damals jedoch nicht übermittelt.
Die beiden vorliegenden Textvarianten (siehe oben M 5, Nr. 2 und 3) wurden 1929 ebenfalls für das DVA abgeschrieben: DVA: A 102260 (= M 5, Nr. 2), DVA: A 102257 (= M 5, Nr. 3).
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17.03.2016 12:05