Edition E: Edition als Volkslied 1844 copied.
Edition C: Handschriftliches Liederbuch um 1890 copied.
C. Ich binn der Docktor Eisenbart
(Handschriftliches Liederbuch um 1890)
Text: anonym
1. | Ich binn der Docktor Eisenbart | |
Kurier die Leut auf meine Art, | ||
kann machen das die Blinden wieder sehn | ||
und das die Lamen wieder gehen, | ||
2. | Zu Wipfen aus Kurirte ich | |
ein Kind zur Welt gar Meisterlich | ||
Dem zerbrach ich das genück | ||
Die Mutter starb zum guten glück. | ||
3. | In Potsdam transporite | |
den | Koch des Großen Friderig. | [fol. 20v] | |
Ich schlug ihm mit dem Beil vom Kopf | ||
Gestorben ist der arme Tropf, | ||
4. | Zu Ulm Kurirte ich einen Man | |
daß im daß Blud von Beine rann | ||
er wollte gern gekuh pockt sein | ||
ich impftim mit den Brantspießt, | ||
5. | Des Küsters Sohn in Dietendum | |
Dem gab ich zehn pfund Oupium | ||
Daran schlif er Tag und Nachte | ||
Und ist bis jetz noch nicht erwacht, | ||
6. | Sodan dem Haubtman von der Lust | |
mache ich 3 Bomben aus der Brust | ||
Die Schmerzen waren ihm zu groß | ||
Wolan er ist den Juden los | ||
7. | Es hat ein Mann ein | Langen solz | [fol. 21r] |
ein zentner schwer Kropf am Hals | ||
Den Schnür ich mit dem Hauseul zu | ||
Probatomest er hat jetz Ruh | ||
8. | Zu Prag da nahm mich ein Weib | |
10 Fudersteine daus dem Leib | ||
Der letzte wahr ihr Leichenstein, | ||
sie wirt wohl jetz kurirt sein. | ||
9. | Jungst kam ein reicher Handelsmann. | |
auf einem magern Klepper. | ||
Es war ein Schacherjud aus Metz | ||
Ich gab ihm Schinken für die Kretz | ||
10. | Vor hunger war ein alter Filtz. | |
Gebracht mit Schmerzen an der Miltz | ||
Extrapost geschikt | ||
Weitere Zeit ihn nicht drückt. | ||
11. | Ein Alter Bauer mich zu sich | Rief | [fol. 21v] |
der seit 12 jahr nicht mehr schlief. | ||
Ich hab ihn gleich zur Ruhe gebracht | ||
Er ist juhtz noch nicht erwacht. | ||
12. | Zu Wien kurirt ich einen Mann | |
der hatte einen holen Zahn | ||
Ich schos ihn heraus mit der Pistol | ||
ach Gott wie ists dem Man so wohl | ||
13. | Mein allergrößtes Meisterstück | |
das that ich einst zu Osnabrück | ||
so Dabrisch war ein alter Knab | ||
ich schnit ihm Beide Beine ab. | ||
14. | Vertraut sich mir ein Patient | |
so mach er erst sein Testament. | ||
Ich schike niemand aus der Welt | ||
befor er nicht sein Haus bestelt: | ||
15. | Heud früh nahm ich einer in die Kur. | |
Jetz 3 Minuten vor 12 Uhr | | [fol. 22r] | |
Und als die Kloke Mittag schlug | ||
er nicht mehr nach der Suppe frug. | ||
16. | Wenn ich einmal die Ader schlug | |
hat für sein leben lang genug | ||
das Blut ich aus dem leibe drieb | ||
damit nichs mehr drein übrig blieb. | ||
17. | Sehr wohlfeil ist auch meine Kur | |
den jeder braucht sie einmal nur | ||
Was mancher nicht injahren vermag | ||
kurir ich in einem Tag | ||
18. | Das ist die art die ich kurir | |
Sie ist propat ich Bürg dafür | ||
daß jeder Mittel Wirkung thut | ||
Schwör ich bei meinem Dockterhut |
Handschriftliches Liederbuch von Wendelinus Girrard, Hommert bei Saarburg (Lothringen); undatiert [um 1890], fol. 20r–22r.
DVA: HL 71
Editorische Anmerkung:
Strophe 1/Vers 3 "kann" statt "kam"; Ende von Str. 1, 3, 4 u. 5: Kommas wie in Vorlage; Str. 9/1 Punkt am Ende wie in Vorlage; Str. 17/1 "ist" statt "ist ist". Girrard schreibt nicht nach Versmaß, sondern zeilenweise nach verfügbarem Platz.
Die Niederschrift des Liedes erfolgte aus dem Gedächtnis, was durch die teilweise eigenwillige Schreibung sowie eine Reihe von Sinnentstellungen deutlich wird. Woher Wendelinus Hommert das Lied gekannt hat, ist nicht überliefert. Sein "Ich binn der Docktor Eisenbart" beruht auf einer erweiterten Liedfassung, die sich u. a. im vielfach aufgelegten "Allgemeinen Deutschen Commersbuch" findet (Hommerts 15. Strophe ist dort Str. 11; Str. 16 u. 17 gehen über diese Version allerdings hinaus). Bezüglich solcher Zusatzstrophen bemerkte Arthur Kopp: "Diese neuern Strophen, wie fast überall wo ein Witzfunke stets von neuem […] angefacht wird, verfehlen den Ton, dehnen das Lied übermäßig und erzeugen Überdruß. Was soll z. B. eine Strophe wie die folgende: 'Jüngst kam ein reicher Handelsmann Auf einem magern Klepper an; es war ein Schacherjud aus Metz: Ich gab ihm Schinken für die Krätz.' Was hat diese Läpperei mit den chirurgischen Radikal- und Parforce-Kuren unseres Eisenbart zu thun?" (Eisenbart im Leben und im Liede. Berlin 1900, S. 61).
last modified
08.07.2009 09:56