Skip to content. Skip to navigation

Liederlexikon

Personal tools
You are here: Home Lieder Ich bin der Doktor Eisenbart Edition C: Handschriftliches Liederbuch um 1890
Document Actions

C. Ich binn der Docktor Eisenbart

(Handschriftliches Liederbuch um 1890)


Text: anonym

Scan der Editionsvorlage
 1  2  3  4  5  6

1. Ich binn der Docktor Eisenbart
Kurier die Leut auf meine Art,
kann machen das die Blinden wieder sehn
und das die Lamen wieder gehen,
 
2. Zu Wipfen aus Kurirte ich
ein Kind zur Welt gar Meisterlich
Dem zerbrach ich das genück
Die Mutter starb zum guten glück.
 
3. In Potsdam transporite
den | Koch des Großen Friderig. [fol. 20v]
Ich schlug ihm mit dem Beil vom Kopf
Gestorben ist der arme Tropf,
 
4. Zu Ulm Kurirte ich einen Man
daß im daß Blud von Beine rann
er wollte gern gekuh pockt sein
ich impftim mit den Brantspießt,
 
5. Des Küsters Sohn in Dietendum
Dem gab ich zehn pfund Oupium
Daran schlif er Tag und Nachte
Und ist bis jetz noch nicht erwacht,
 
6. Sodan dem Haubtman von der Lust
mache ich 3 Bomben aus der Brust
Die Schmerzen waren ihm zu groß
Wolan er ist den Juden los
 
7. Es hat ein Mann ein | Langen solz [fol. 21r]
ein zentner schwer Kropf am Hals
Den Schnür ich mit dem Hauseul zu
Probatomest er hat jetz Ruh
 
8. Zu Prag da nahm mich ein Weib
10 Fudersteine daus dem Leib
Der letzte wahr ihr Leichenstein,
sie wirt wohl jetz kurirt sein.
 
9. Jungst kam ein reicher Handelsmann.
auf einem magern Klepper.
Es war ein Schacherjud aus Metz
Ich gab ihm Schinken für die Kretz
 
10. Vor hunger war ein alter Filtz.
Gebracht mit Schmerzen an der Miltz
Extrapost geschikt
Weitere Zeit ihn nicht drückt.
 
11. Ein Alter Bauer mich zu sich | Rief [fol. 21v]
der seit 12 jahr nicht mehr schlief.
Ich hab ihn gleich zur Ruhe gebracht
Er ist juhtz noch nicht erwacht.
 
12. Zu Wien kurirt ich einen Mann
der hatte einen holen Zahn
Ich schos ihn heraus mit der Pistol
ach Gott wie ists dem Man so wohl
 
13. Mein allergrößtes Meisterstück
das that ich einst zu Osnabrück
so Dabrisch war ein alter Knab
ich schnit ihm Beide Beine ab.
 
14. Vertraut sich mir ein Patient
so mach er erst sein Testament.
Ich schike niemand aus der Welt
befor er nicht sein Haus bestelt:
 
15. Heud früh nahm ich einer in die Kur.
Jetz 3 Minuten vor 12 Uhr |[fol. 22r]
Und als die Kloke Mittag schlug
er nicht mehr nach der Suppe frug.
 
16. Wenn ich einmal die Ader schlug
hat für sein leben lang genug
das Blut ich aus dem leibe drieb
damit nichs mehr drein übrig blieb.
 
17. Sehr wohlfeil ist auch meine Kur
den jeder braucht sie einmal nur
Was mancher nicht injahren vermag
kurir ich in einem Tag
 
18. Das ist die art die ich kurir
Sie ist propat ich Bürg dafür
daß jeder Mittel Wirkung thut
Schwör ich bei meinem Dockterhut


Handschriftliches Liederbuch von Wendelinus Girrard, Hommert bei Saarburg (Lothringen); undatiert [um 1890], fol. 20r–22r.
DVA: HL 71


Editorische Anmerkung:
Strophe 1/Vers 3 "kann" statt "kam"; Ende von Str. 1, 3, 4 u. 5: Kommas wie in Vorlage; Str. 9/1 Punkt am Ende wie in Vorlage; Str. 17/1 "ist" statt "ist ist". Girrard schreibt nicht nach Versmaß, sondern zeilenweise nach verfügbarem Platz.
Die Niederschrift des Liedes erfolgte aus dem Gedächtnis, was durch die teilweise eigenwillige Schreibung sowie eine Reihe von Sinnentstellungen deutlich wird. Woher Wendelinus Hommert das Lied gekannt hat, ist nicht überliefert. Sein "Ich binn der Docktor Eisenbart" beruht auf einer erweiterten Liedfassung, die sich u. a. im vielfach aufgelegten "Allgemeinen Deutschen Commersbuch" findet (Hommerts 15. Strophe ist dort Str. 11; Str. 16 u. 17 gehen über diese Version allerdings hinaus). Bezüglich solcher Zusatzstrophen bemerkte Arthur Kopp: "Diese neuern Strophen, wie fast überall wo ein Witzfunke stets von neuem […] angefacht wird, verfehlen den Ton, dehnen das Lied übermäßig und erzeugen Überdruß. Was soll z. B. eine Strophe wie die folgende: 'Jüngst kam ein reicher Handelsmann Auf einem magern Klepper an; es war ein Schacherjud aus Metz: Ich gab ihm Schinken für die Krätz.' Was hat diese Läpperei mit den chirurgischen Radikal- und Parforce-Kuren unseres Eisenbart zu thun?" (Eisenbart im Leben und im Liede. Berlin 1900, S. 61).
last modified 08.07.2009 08:56
 

nach oben | Impressum