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You are here: Home Lieder Guter Mond, du gehst so stille Edition G: Parodie Kurt Tucholsky 1920
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G. Guter Mond, du gehst so stille

(Parodie Kurt Tucholsky 1920)


Text: Kurt Tucholsky (1890–1935)
 


An den deutschen Mond

1. Guter Mond, du gehst so stille
Durch die Abendwolken hin!
Siehst die lange Äppelzille
Und die Venuspriesterin.
   Siehst Passanten und die Bummler
   Und die bösen Geldscheinschummler ...
     Bist das alles schon gewohnt,
     Guter Mond, guter Mond –!
 
2. Segelst langsam ob den Dächern,
Siehst in Fenster der Bureaus,
Wo die Akten in den Fächern
Flüstern: "Wir sind Nosken los!"
   Siehst in Fenster der Kasernen,
   Wo sie Schwarz-Rot-Gold entfernen ...
      Bist das alles schon gewohnt,
      Guter Mond, guter Mond –! |[S. 146]
 
3. Kugelst dich am Firmamente
Über unsre große Stadt,
Siehst die dicke, schwere Rente,
Die der Ludendorff noch hat.
   Siehst auch nächstens, wenn es später,
   Manche freien Hochverräter ...
      Bist das alles schon gewohnt,
      Guter Mond, guter Mond –!
 
4. Aber käme plötzlich einer,
Der trotz Lärmen und Gezisch
Schlüge – wie noch leider keiner –
Mit der Faust auf unsern Tisch –
   Sagt der: "Militär kann gehen!"
   Ei, dann bliebst du sicher stehen!
      Denn das bist du nicht gewohnt,
      Guter Mond, guter Mond –!


Theobald Tiger [d. i. Kurt Tucholsky]: An den deutschen Mond. In: Berliner Volks-Zeitung 68 (1920), Nr. 179 vom 18. April 1920. Zit. nach Kurt Tucholsky: Gesamtausgabe. Texte und Briefe, Bd. 4: Texte 1920. Hrsg. von Bärbel Boldt u. a. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1996, S. 145f. (und Anmerkungen S. 662).
DVA: B 50377


Editorische Anmerkung:
Tucholskys Gedicht entstand unter dem Eindruck des Kapp-Putsches (12.–17. März 1920), einem Umsturzversuch republikfeindlicher Militärs, als dessen Folge Reichswehrminister Noske (SPD) zum Rücktritt gezwungen war (20. März 1920). Wie Tucholsky zutreffend voraussah, blieben die Putschisten weitgehend straflos und Erich von Ludendorff – der mit ihnen unverhohlen sympathisiert hatte – bekam als Weltkriegsgeneral weiterhin eine "dicke schwere Rente".
"Äppelzille" (Str. 1, Zeile 3) ist ein Berliner Slangausdruck für "Apfelkahn" (siehe auch zeitgenössisches Foto).
Vertont wurde "An den deutschen Mond" 1959 von Hanns Eisler (Gesammelte Werke, Serie I, Bd. 18: Neue deutsche Volkslieder, Chansons, Kinder- und Jugendlieder. Hrsg. von Nathan Notowicz. Leipzig 1968, S. 91f.) und von Hans Herbert Winkel (vgl. Das Kurt Tucholsky Chanson Buch. Hrsg. von Mary Gerold-Tucholsky u. Hans Georg Heepe. Reinbek bei Hamburg 1983, S. 33–35).
last modified 28.09.2016 04:43
 

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