C. Gott grüß dir, Bruder Straubinger
(Studentenliederbuch 1837)
Text: Carl Theodor Müller (1796–1873)
1. | Gott grüß dir, Bruder Straubinger! | |
Freut mir, daß ich dir sehe. | ||
Weißt du auch schon die neue Mähr, | ||
Daß ich aus Landshut gehe? | ||
Der Meister und die Meisterin, | ||
Da konnt ich mir nichts klagen, | ||
Doch mit den Aquademicis | ||
Konnt ich mir nicht vertragen. | ||
2. | Ein schwarz-roth-gold Band hatt' ich mich | |
Auf letzter Meß gekaufet, | ||
Dran band ich meine Sackuhr fest, | ||
Daß sie mir nicht verlaufet. | ||
Da kam ein Studio wie ein Gaul, | ||
That den Hund auf mich hetzen. | ||
Die Sackuhr schlug er mir um's Maul, | ||
Das Band riß er in Fetzen. | ||
3. | Einst saßen wir beim Apfelbrei | |
Wohl unser zwölf beisammen, | ||
Und sangen manch flott's Lied dabei, | ||
Als sechs Studenten kamen; | | [S. 80] | |
Die setzten sich an unsern Tisch | ||
Und wollten uns vertreiben, | ||
Sie rauchten auch so pommerisch, | ||
Daß man nicht konnt' verbleiben. | ||
4. | Jüngst gieng ich auf der Promenad' | |
Mit meinem Schatz spatzieren, | ||
Und als sie auch so zärtlich that, | ||
That mich's zu Thränen rühren. | ||
Da kam ein Studio hergerannt: | ||
"Herr Gaisbock Sie erlauben." | ||
Er nahm das Mädchen bei der Hand, | ||
Und führt sie in die Lauben. | ||
5. | Und wiederum ein andersmal, | |
Des Nachts um halber zweie, | ||
Stand ich vor ihrer Kammerthür | ||
Und schwur ihr ewige Treue. | ||
Da sah ein Studio oben raus, | ||
Und eh' ich's konnt verspüren, | ||
Goß er den Nachttopf auf mir aus, | ||
Da stank ich zum krepiren. | ||
6. | Nun reis' ich über Zürch nach Bern, | |
Um dort ganz zu verbleiben, | ||
Und soll das Mädel schwanger wer'n, | ||
Herr Bruder wird mir's schreiben. | ||
Da müßt ich doch ein Esel seyn, | ||
Ein Kerl, als wie ein Rinde, | ||
Wenn ich der Vater wollte seyn | ||
Von dem Studentenkinde. |
Liederbuch der Tübinger Hochschule. Tübingen: E. L. Eifert 1837, S. 79f. (Nr. 48).
DVA: V 6/1826
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29.11.2011 11:59