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Frisch auf, ihr deutschen Brüder


"Frisch auf, ihr deutschen Brüder" ist ein historisches Ereignislied aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Es handelt von den traumatischen Erfahrungen russlanddeutscher Kolonisten aus der Ukraine, die deportiert und zur Zwangsarbeit herangezogen wurden. Sein Text wurde in den 1920er Jahren im Molotschnajagebiet (Ukraine) dokumentiert; die weitere Tradierung des Liedes liegt bislang im Dunkeln.

I. "Frisch auf, ihr deutschen Brüder" wurde während des Ersten Weltkriegs von einem unbekannt gebliebenen russlanddeutschen Autor als Reaktion auf eine der besonders drastischen Auswirkungen der russischen Kriegsgesetzgebung gedichtet: die Deportation der in den russischen Grenzregionen ansässigen deutschstämmigen Siedler zwischen 1915 und 1917 (s. hierzu auch die Liedkommentare zu "Ach wie traurig kam die Botschaft" und "Aus Wolhynien sind gezogen"). Der Liedtext wurde erstmals im Sommer 1926 von dem Germanisten Alfred Ström in der russlanddeutschen Siedlung Weinau (Molotschnajagebiet, Ukraine) aufgezeichnet (Edition A). Der Wortlaut des Liedes – in der neunten Strophe ist von "uns Preussen" die Rede – deutet darauf hin, dass es aus den Reihen der sogenannten Danziger Preußen (Russlanddeutsche, die aus der Danziger Gegend in die Ukraine migriert sind) entstanden ist. Über die zugehörige Melodie hat Ström nichts vermerkt. Diese Dokumentation ist bislang der einzige Beleg dieses Ereignisliedes.

II. Der Liedtext berichtet ganz konkret von der Deportation russlanddeutscher Männer aus der Umgebung von Cherson, einer Hafenstadt am Schwarzen Meer. Aus der Perspektive der Betroffenen werden die Etappen der Verschleppung und die mit dieser Situation verbundenen Härten und Zumutungen retrospektiv aufgezählt: die lange Dauer der Gefangenschaft, mit der niemand gerechnet habe; Frauen und Kinder, die alleine zurückbleiben; der weite Transport mit seinen Zwischenstationen; mangelhafte Ernährung, strapaziöse Transporte und erbarmungslose Behandlung der Gefangenen; Mitgefangene, die unter diesen Bedingungen den Tod fanden; die Nötigung zur Zwangsarbeit in einem Steinbruch und zuletzt die Rückkehr in die Ukraine und in ein ziviles Leben – allerdings nun mit der Bürde, mit den Erinnerungen an die Deportation leben zu müssen. Die optimistisch tönenden Eingangsverse spielen möglicherweise auf das Initium des Gedichts "Frischauf! ihr teutsche Brüder! Frischauf zum heil'gen Streit" an, welches der deutsche Schriftsteller Ernst Moritz Arndt als Protagonist des antinapoleonischen Widerstands im Jahr 1813 publiziert hat und das rhythmisch fast identisch aufgebaut ist wie dieses kolonistische Lied. Andererseits existiert eine ganze Reihe weiterer Lieder, deren Verse ebenfalls mit "Frisch auf" beginnen. Möglicherweise wurde also lediglich dieser recht häufig zu findende Liedanfang aufgegriffen. Der singuläre Beleg aus der Molotschnajaregion dokumentiert, dass "Frisch auf, ihr deutschen Brüder" gut zehn Jahre nach der Erfahrung von Vertreibung und Deportation während des Ersten Weltkriegs zumindest in dieser Gegend der Ukraine noch erinnert wurde. Deutlicher lassen sich die regionale Verbreitung und die Rezeption des Liedes bislang jedoch nicht rekonstruieren.

INGRID BERTLEFF
(Juli 2010)



Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: Einzelbeleg aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: —
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: —
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Phonogrammarchivs St. Petersburg (IRLI) und des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Ingrid Bertleff: Frisch auf, ihr deutschen Brüder (2010). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/frisch_auf_ihr_deutschen_brueder/>.


© Deutsches Volksliedarchiv
last modified 16.09.2013 01:13
 

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