A. Es waren zwei Nachbarskinder
(Julius Wolff 1886)
Text: Julius Wolff (1834–1910)
| 1. | Es waren zwei Nachbarskinder, | |
| Die hatten sich heimlich lieb, | ||
| Daß eines Jeden Sehnen | ||
| Dem Andern verborgen blieb. | ||
| 2. | Keins bracht' es über die Lippen, | |
| Wovon das Herz ihm schwer, | ||
| Vergingen vor Lieb' und Leide, | ||
| Ertrugen es nimmer mehr. | ||
| 3. | Er wollte fürbaß wandern | |
| Weit weg mit seinem Weh; | ||
| Sie wollte sich Ruh verschaffen | ||
| Daheim im tiefen See. | | [S. 67] | |
| 4. | Sein Weg führt' ihn vorüber, | |
| Wo sie am Ufer stand, | ||
| Da mußt' er ihr doch bieten | ||
| Zum Abschied noch die Hand. | ||
| 5. | "Was thust Du hier am Wasser | |
| Und starrst hinab zum Grund?" | ||
| "Wohin hast Du's so eilig | ||
| In früher Morgenstund?" | ||
| 6. | "Ich zieh' in alle Ferne, | |
| Denn eine liebt mich nicht; | ||
| Ich will sie nicht mehr sehen, | ||
| Weil's mir das Herze bricht." | ||
| 7. | "Und ich will hier mich betten, | |
| Weil Einer mich nicht mag; | ||
| Ich kann nicht ohn' ihn leben | ||
| Noch einen einzigen Tag." | ||
| 8. | "Sag' mir: wer ist zum Sterben | |
| Der Schelm, der Dich verschmäht?" | ||
| "Erst sag': wer ist die Spröde, | ||
| Die Dir zum Wandern räth?" | ||
| 9. | "Sie steht mit bleichen Wangen | |
| An tiefen Wassers Rand." | ||
| "Und er mit düstern Augen | ||
| Will fort in fernes Land." | | [S. 68] | |
| 10. | Sie sahn sich an mit Blicken, – | |
| Nichts mehr von Tod und Weh! | ||
| Er ging nicht in die Fremde | ||
| Und sie nicht in den See. | ||
Julius Wolff: Lurlei. Eine Romanze. Berlin: Grote'sche Verlagsbuchandlung [1886]; hier zit. nach der (unveränderten) Auflage 1923 (78. Tausend), S. 66–68.
DVA: B 50668
Editorische Anmerkung:
Die Liedeinlage "Es waren zwei Nachbarskinder" aus Julius Wolffs "Lurlei"-Dichtung fand umgehend Resonanz bei verschiedenen zeitgenössischen Komponisten, wie dem Hamburger Klavier- und Theorielehrer Emil Krause (1840–1916), dem damals in Pernau (Livland) als Städtischer Musikdirektor angestellten Klaviervirtuosen Max Peters (1849–1927) oder dem in Limbach (Sachsen) als Kantor tätigen Männerchor-Komponisten Johannes Pache (1857–1897):
- Emil Krause: "Es waren zwei Nachbarskinder" aus der Romanze "Lurlei" von Julius Wolff für eine Singstimme mit Pianoforte, op. 60.Hamburg: Ludwig Hoffmann (1887).
- Max Peters: Drei Lurlei-Lieder von Julius Wolff, für eine Sopran- oder Tenorstimme und Klavierbegleitung. Leipzig: Licht (1888); darin Nr. 2 "Es waren zwei Nachbarskinder" (das Lied ist 1889 im gleichen Verlag auch als Separatdruck für "eine hohe Singstimme" erschienen).
- Johannes Pache: Zwei Gesänge für eine Mittelstimme mit Pianoforte, op. 132. Leipzig: Lichtenberger (1892); darin Nr. 2 "Es waren zwei Nachbarskinder".
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21.08.2013 11:12