A. Es war einmahl eine Schullmeisters Jagd
(Wolgaregion ca. 1915–1918)
Text und Melodie: anonym
1. | Es war einmahl ein Schullmeisters Jagd, | |
Es ist geschehn am Freitag nacht3) | ||
Vom Abend bis zum Mororchen4), | ||
Von Abend bis zum Mororchen. | ||
2. | Und als die halbe Nacht beikam, | |
Da kam der vorstehr5) mit der Wacht | ||
:|: Und klopft so leicht ans Fenster. :|: | ||
3. | Ossanna sprach: "Wer ist da draus? | |
Kleich6) wann mein Vater komt nach Haus, | ||
:|: Er bricht euch Hals und Beine." :|: | ||
4. | Sie brechen die Thür gewaltsam7) auf, | |
Und suchen aus das ganze Haus, | ||
:|: Sie konnten ihn aber nicht finden. :|: | ||
5. | Der einte8) sprach: "Er ist noch hier! | |
Ich bin euch guter Mann dafür, | ||
:|: Er ligt noch in der Küste9)." :|: | ||
6. | Sie brechen die Küst gewaltädich10) auf, | |
Der Schullmeister schaut zum Fenster raus | ||
:|: Mit seinen verweinten Augen. :|: | ||
7. | Sie kriechen11) Schullmeister an sein Haar, | |
Und schleppe ihn naus vors Thor, | ||
:|: Sie dreten12) ihn mit Füßen. :|: | ||
8. | Schullmeister sprach: "Last mich nur gehn, | |
Ich will mein Stiebel und Strümpf anzien13), | ||
:|: Parfuß14) kann man nicht laufen." :|: | ||
9. | Schullmeister sprang die Gaß owenaus15), | |
Osanna schaut zum Fenster rauß16), | ||
:|: Sie fängt kleich17) an zu weinen. :|: | ||
10. | Schullmeister sprach: "Schweich Du nur still, | |
Wir wollen ziehn nach Messer18) hin, | ||
:|: Dort wollen wir einig leben." :|: |
Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung durch Georg Schünemann. Die Gewährsperson stammt aus der Kolonie Herzog (Samara). Schünemanns Aufzeichnungen entstanden 1915–1918 in deutschen Kriegsgefangenenlagern. Ediert in: Georg Schünemann: Das Lied der deutschen Kolonisten in Russland. München 1923, Nr. 268, S. 297.
DVA: V 1/19725
Dort folgende Melodievarianten:

Außerdem zum Liedtext der Hinweis "Nach der Niederschrift des Kolonisten" sowie folgende Erläuterungen zu den Fußnoten:
3) Nacht.
4) Morgen.
5) Vorsteh'r.
6) Gleich.
7) Auch "g'walttätig" gesungen.
8) eine.
9) Kiste.
10) gewalttätig.
11) kriegen.
12) treten.
13) anzieh'n.
14) Barfuß.
15) oben naus.
16) Variante aus Kol. Graf (Samara): "Ach Mann, ach Mann, was hast du gemacht? – Du hast dein' Kinder ums Brot gebracht!" –.
17) gleich.
18) Kolonie Messer (Saratow).
Editorische Anmerkung:
Eine weitere Fassung, die nur geringfügige Abweichungen aufweist, aus der Sammlung des Paters Peter Weigel dokumentierte Viktor Schirmunski:
- Es war einmal eine Schulmeisterjagd
Sie ist geschehen in der Freitagnacht
Von Abend bis zum Morgen.
- Und als die halbe Nacht beikam
Da kam der Vorsteh'r mit der Wacht
Und klopfte leicht am Fenster.
- Susanna sprach: "Wer ist da draus?
Wenn mein Vater kommt nach Haus
Der bricht euch Hals und Bein".
- Sie brechen die Tür gewalttätig auf
Und suchen aus das ganze Haus
Konnten ihn aber nicht finden.
- Der eine sprach: "Er ist doch hier
Ich bin euch guter Mann dafür
Er lieget in der Kiste".
- Sie brechen die Kist gewalttätig auf
Schulmeister schaut ganz traurig aus
Mit seinen verweinten Augen.
- Sie packen Schulmeister an seinen Ohr
Und schleppen ihn 'naus bis vor das Tor
Und treten ihn mit den Füßen.
- Schulmeister sprach: "Laßt mich nur gehn
Ich will meine Schuhe und Strümpfe anziehn
Barfuß kann man nicht laufen!"
- Schulmeister ging die Straß obenaus
Susanna schaut zum Fenster 'raus
Mit ihren verweinten Augen.
- Schulmeister sprach: "Schweig nur still!
Wir wollen jetzt nach Messer hin
Dort wollen wir einig leben!"
Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung durch Pater Peter Weigel, o. O., o. J. [vermutlich zwischen 1914–1925, russlanddeutsche Siedlung Mariental], Gewährsperson nicht genannt. Zitiert in: Viktor Schirmunski: Das kolonistische Lied in Rußland. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 37/38 (1927/28), S. 182–215 (Zitat auf S. 190).
DVA: VZ 1170
last modified
16.09.2013 01:43