A. Es steht ein Baum im Odenwald
(Des Knaben Wunderhorn 1808)
Text: Auguste Pattberg (1769–1850)
| Aus dem Odenwald. | ||
| 1. | Es steht ein Baum im Odenwald, | |
| Der hat viel grüne Aest; | | [S. 117] | |
| Da bin ich schon viel tausendmal | ||
| Bey meinem Schatz gewest. | ||
| 2. | Da sitzt ein schöner Vogel drauf, | |
| Der pfeift gar wunderschön; | ||
| Ich und mein Schätzlein lauern auf, | ||
| Wenn wir mitnander gehn. | ||
| 3. | Der Vogel sitzt in seiner Ruh, | |
| Wohl auf dem höchsten Zweig; | ||
| Und schauen wir dem Vogel zu, | ||
| So pfeift er allsogleich. | ||
| 4. | Der Vogel sitzt in seinem Nest, | |
| Wohl auf dem grünen Baum; | ||
| Ach Schätzel bin ich bey dir g’west, | ||
| Oder ist es nur ein Traum? | ||
| 5. | Und als ich wiedrum kam zu dir, | |
| Gehauen war der Baum; | ||
| Ein andrer Liebster steht bei ihr, | ||
| O du verfluchter Traum. | ||
| 6. | Der Baum, der steht im Odenwald, | |
| Und ich bin in der Schweiz; | ||
| Da liegt der Schnee, und ist so kalt, | ||
| Mein Herz es mir zerreißt. | ||
Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, gesammelt von L. Achim v. Arnim und Clemens Brentano. Bd. 3. Heidelberg: Mohr und Zimmer 1808, S. 116f.
DVA: V 1/323
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17.12.2012 12:33