B. Es neiget sich zum Abend, der Vorsteh'r mit der Wacht
(Wolgaregion um 1914–1927)
B 1. Liedfragment I (Wolgaregion um 1926–1927)
Text: anonym
1. | Es neiget sich zum Abend | |
Der Vorsteh'r mit der Wacht | ||
Sie suchen sich was zu naschen | ||
Sie fahren auf die Jagd. | ||
2. | Und als sie hinunter kamen | |
Wohl auf die Jagderei | ||
So stellt sich der Pink von ferne | ||
Die andren treiben bei. | ||
3. | Als das Schwein geschossen war: | |
Da red't der Petro ein: | ||
Mir fahren hin zum Vorstehr | ||
Mit den geschoßnen Schwein'. | ||
4. | Die Red' gefällt dem Vorsteh'r | |
"Mir fahren hin zu mir | ||
Ein Gastmahl wollen wir halten | ||
Von den geschoßnen Tier'". | ||
5. | "Vorstehr, herzliebster Vorstehr | |
Ruf deine Frau herbei | ||
Die Ohren und die Beine | ||
Das giebt auch Galerrei". | ||
6. | Der Vorstehr sprach zum Andres | |
"Mir ziehen die Schweine ab | ||
Sie haben wollen mir verkaufen | ||
Das Geld stecken mir in den Sack". | ||
7. | Da sprach der Petro zum Andres | |
"Du darfst auch jetzt nichts sagen | ||
Mir kaufen lange Paldone | ||
Und wollen uns groß tragen!". |
Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung durch Viktor Schirmunski; o. J. [zwischen 1926 und 1927], Gewährsperson: Peter Schönberger, Kolonie Mariental. Zitiert in: Viktor Schirmunski: Das kolonistische Lied in Rußland. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 37/38 (1927/28), S. 190f.
DVA: VZ 1170
Editorische Anmerkung:
2. Strophe: der Pink – das Schwein
5. Strophe: Galerrei – Gellerei: Sülze, Gallert (aus Schweinebeinen und -ohren hergestellt)
7. Strophe: Paldone – gemeint ist wohl ein eleganter Mantel (französisch: Paletot, russ.: пальто).
B 2. Liedfragment II (Wolgaregion um 1914–1925)
Text: anonym
1. | Es neiget sich zum Abend | |
Der Vorsteh'r mit der Wacht | ||
Sie suchen sich was zu naschen | ||
Sie fahren auf die Jagd. | ||
2. | Der Vorsteher sprach zum Sotnik | |
"Nimm deine Flint herbei | ||
Wir wollen hinunter fahren | ||
Und schießen Pfannenstieler Säu!" | ||
3. | Und als sie hinunter kamen | |
Wohl auf die Jagderei | ||
So stellt sich der Pink von ferne | ||
Die andren treiben bei. | ||
4. | Und als die Säu geschossen waren | |
Da sprach der Vorsteh'r zuerst | ||
"Nach Hause wollen wir fahren | ||
Und machen gute Wärscht‘". | ||
5. | Als sie nach Hause fuhren | |
Da red't der Petro ein: | ||
Mir fahren hin zum Vorstehr | ||
Mit den geschoßnen Schwein'. | ||
6. | Die Red' gefällt dem Vorsteh'r | |
"Mir fahren hin zu mir | ||
Dann wollen wir uns holen | ||
Einen halben Eimer Bier! | ||
7. | "Ihr Nachbarn und Bekannten | |
Kommt alle her zu mir | ||
Ein Gastmahl wollen wir halten | ||
Von den geschoß'nen Tier'n!" | ||
8. | Jetzt machen sie die Sachen fertig | |
Und rufen die Schütz' all' herbei | ||
Das Fleisch wohl zu verteilen | ||
Der Pfannenstieler Säu'. | ||
9. | Das Fleisch sich zu verteilen | |
Das rechnen sie kein' Sünd | ||
"Das ist ein Angedenken | ||
An unsern Vorsteh'r Quint!" | ||
10. | Jetzt machen sie sich alle fertig | |
Und machen der Sach ein End | ||
Der Schmatze wird nicht heilen | ||
Bis an ihr letztes End! |
Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung durch den Pater Peter Weigel; Wolgaregion, o. J. [zwischen 1914 und 1925], Gewährsperson nicht genannt. Zitiert in: Viktor Schirmunski: Das kolonistische Lied in Rußland. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 37/38 (1927/28), S. 190f.
DVA: VZ 1170
Editorische Anmerkung:
2. Strophe: Sotnik – russisches Lehnwort (сóтник: militärischer Führungsrang), hier: Dorfpolizist. Pfannenstiel – umgangssprachlich-neckender Beiname der russlanddeutschen Siedlung Mariental
10. Strophe: Der Schmatze wird nicht heilen – unverständliche Textpassage. Vermutlich wurde der Text an dieser Stelle nicht genau erinnert und sinnentstellt umgedichtet.
last modified
18.07.2009 11:03