A. Es fleügt ein kleines Waldvögelein der Lieben für die Thür
(Flugschrift um 1600)
Text: anonym
Im Thon: Von deinet wegen bin ich hie | ||
1. | ES fleügt ein kleins Waldvögelein / | |
der lieben für die Thür: | ||
Es klopff mit seinem Goldschnäbelein / | ||
gar leiß mit aller zier. | ||
Ich bin so weyt geflogen / | ||
mit müh vnnd sorgen groß / | ||
wol durch Fraw Venus bogen / | ||
der lieben in jr schoß. | ||
2. | Ich bin geflogen Berg vnd thal / | |
doch mit sehr harter müh: | ||
Ich such mein feines Lieb vberall / | ||
trag sorg es sey nicht hie. | ||
Schöns Lieb bist du verhanden / | ||
tröst mich Waldvögelein / | ||
inn deine schneeweisse Hände / | ||
schleuß du Hertzlieb die mein. | ||
3. | Junckfraw wolt jr mich kennen / | | [o. S.] |
ich heiß der Pelican: | ||
Der sein hertz thüt aufftrennen / | ||
sein Blüt herauß thüt lahn. | ||
Will mich auch vndterwinden / | ||
für dich setzen mein Hertz / | ||
meine lieb gegen dir entbinden / | ||
redt ich ohn allen schertz. | ||
4. | Ein Vogel auß Arabia / | |
Phenix ist er genand: | ||
Darumb schöne Amasia / | ||
mit ihm wardt ich verb[r]andt. | ||
Darzu mein leyb vnnd leben / | ||
gewiß müst du zergan / | ||
so du mir nicht wirst geben / | ||
dein trew vnd mir beystahn. | ||
5. | Der Adler vnd das Königklein / | |
haben mit einander ein streyt: | ||
Vnnd neyden mich kleins Waldtvögelein / | ||
darumb ich fleüg so weyt. | ||
Ich fleüg | der Lieben zu ehren / | [o. S.] | |
dieweyl ich das leben han / | ||
das soll mir nyemandt wehren / | ||
allde ich fahr daruon. | ||
6. | Ach GOtt wie ist mein Hertz so mat / | |
Das ich dich müß verlohn: | ||
Du fleügst dahinn gleich wie der schatt / | ||
wie soll ich ihm Ewig thon. | ||
Jetzt gschicht mir gleich vnd eben / | ||
in meim betrübten leben / | ||
gleich wie dem Turteltäublein / | ||
das nach seim Lieben thüt streben. | ||
7. | Gleich wie Gott d Narung schicken thüt / | |
der Schwalben in der lufft: | ||
Also steht auch mein sinn vnd müt / | ||
nach meiner edlen bulschafft. | ||
Manichen seufftzer von mir / | ||
schick ich hertz- | lieb zu dir / | [o. S.] | |
auß lieb vnd trewem hertzen mein / | ||
vnd gäntzlicher begier. | ||
8. | Die schön vnnd edle Nachtigall / | |
gedenckt stäts Tag vnnd Nacht: | ||
An ihr gesang das es erschall / | ||
nach singen sie stätts tracht. | ||
Also gedenck auch jetzund ich / | ||
allzeyt Hertzlieb an dich / | ||
in aller Lieb vnd freündtligkeit / | ||
wie es gebüret sich. | ||
9. | Ob schon der neyder wider mich / | |
sein Zeen sehr starck erhebt: | ||
Wirdt er doch sich ergötzen nicht / | ||
weyl Gott selbst ob vnns schwebt. | ||
Gleich nach des Teüffels sitt allein / | ||
zerstört er gern fridt / | ||
zwischen mir vnnd der liebsten mein / | ||
es gelücket im aber nit. | | [o. S.] | |
10. | Dieweyl wir alle sterblich sein / | |
so beger ich vor dir: | ||
Zusterben das ich nicht allein / | ||
sech deinen Todt vor mir. | ||
Gleich wie der milde Schwane / | ||
singt sein sterblichen Thon / | ||
also will ich Hertzliebste mein / | ||
von dir mein vrlaub hon. |
Ein schön newes / Liede: Es fleügt ein kleines / Waldvögelein / der Lieben für / die Thür etc. / Im Thon: / Von deinet wegen bin ich hie / Hertzlieb vernimb / mein Wort / etc. […] Getruckt zu Augspurg / durch Valentin Schönigk o. J. [um 1600].
DVA: Bl 5961
last modified
21.06.2012 12:16