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Liederlexikon

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You are here: Home Lieder Ein Vogel wollte Hochzeit machen Edition A: Lautenlied 1603
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A. Es wolt guet raiger fischen

(Lautenlied 1603)


Text und Melodie: unbekannt

Scan der Editionsvorlage
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Der Stigelitz.

1. Es wolt guet raiger fischen,
er fischt auf breiter heyde,
da kam der storch, da kam der storch,
und stal ihm seine wayde.
 
2. Der Habich kam auch here,
und bracht vil neuer maere,
wie daß dort auch vor Jenem Holz,
ein Vogel hochzeit were.
 
3. Die Amsel war der Brautigam,
die trossel war die Braute,
die war gar schön gezieret,
trug ob ein Kranz Von raute.
 
4. Waz thuet die guete lerche frisch?
sie sezt die Braut wol an den tisch,
der Phenix und der greipfe,
mußt auf der Hochzeit pfeipfen.
 
5. Der Guckuck, der guckuck,
schlug die lauten und geigt darzue,
den Geyren, den geyren
ordnet man zu der leyren.
 
6. Der gogelhan, der gogelhan,
derselbig war der Capellan,
die maise, die maise,
die sang daz kirieleison.
 
7. Der Staare, der Stare
Gwiß war ein rechter Pfarrer,
der gruenspecht, der gruenspecht,
fuert die Braut gen Kirch recht.
 
8. Zum Hochzeit wardt bestellet noch,
auch Zum fahren der Adler hoch,
die enten, die enten,
die fuehrt daz regimente.
 
9. Die ganß mit ihrem Kragen,
die Bracht der Braut den wagen,
die tauben, die tauben,
legt an der Braut die hauben.
 
10. Der Hemmerling, der Hemmerling,
der Bracht der Braut den fingerring,
Der Stigeliz, mit seiner wiiz,
sagt Zur Braut du Zum tische siz
 
11. Die fünken, die fünken
brachten der Braut zu trinken,
der Uhu, der Uhu,
schlugs Instrument, und sang darzue.
 
12. Darnach kam auch die eulen,
die thet darzu eins heulen,
den Kauzen, den Kauzen
fiengens all an Zu tanzen.
 
13. Der schwarze rapp der war der Koch,
daz sieht man an sein Klaid noch,
der spaz der war der Kuchinknecht
und thet der sachen eben recht.
 
14. Die tache, die tache,
man auch bei der Hochzeit sache,
die Heze, die Heze,
trib gar ein Unnuez geschweze. |[fol. 31v]
 
15. Der Papigay, hat ein groß geschray
daz Küninglin war der Kammerling,
die Sprenze, die sprenze,
die gab auß schöne Krenze.
 
16. Der Pfau mit seinem langen schwanz,
der fuert die Braut wol Zu dem danz,
die mayse und der Aurhan,
danzten hüpsch vor der Braut hinan.
 
17. Der falke, der falke,
wolt Der fledermauß abwalken,
der faßhan, der faßhan,
der fieng vil krumme Händel an.
 
18. Die wachtel die wachtel,
gab ihm gar baldt ein Dachtel,
Da machet ihr daz gschößle,
ein grausam lustigs bößle.
 
19. Daz Zeußle, daz Zeußle,
daz duckt sich wie ain meußle,
der gümpel, der gümpel,
der hat aber ein groß Krümpel.
 
20. Der gruenling frisch, der gruenling frisch,
sezt sich widrumb an den Tisch,
Krumschnabel frech, Krumbschnabel frech,
dummelt sich waidlich bey der Zech.
 
21. Den rothkropf, den rothkropf,
fült man Voll wie ein Hafners Dopf,
der Kramet Vogel Klug und weiß,
bracht abermahlen newe speiß.
 
22. Der Koppe faist, der Koppe faist,
sie allsam frölich lachen haist,
der süttich gruen, der süttich gruen,
war bey ihn Über die maßen schön.
 
23. Die schwalbe, die schwalbe,
blieb bey der hochzeit halbe,
der Strausse, der Strausse,
halpf ihm haimlich hinausse.
 
24. Die Kreen, die Kreen,
die thet man auch ausspehen,
die Alster, die Alster,
den Kranich fragt wie gfälst mir.
 
25. Die nachtigal, die nachtigal,
die saß auf einem stauden,
sie sang der Braut den Hott Vom Zaun,
sie dacht sie selber Z brauten.
 
26. Den wündenhalbs, den wündenhalbs,
man laden thet her Zu oftmahlß,
Daz rephun, daz rephun,
wolt Zu der Hochzeit gar nichts thun.
 
27. Also must man den schwahnen,
auch zu der Hochzeit mahnen,
die Hennen, die Hennen,
die thet man gar hart brennen.
 
28. Den taucher und den speyren,
ließ man bey der Hochzeit nit feyren,
der wannenwäher, d[er] wannenweher,
der leget ein gar schlechte ehr. |[fol. 32r]
 
29. Die widhopfen, die Armer tropfen,
wollten der Braut daz loch Verstopfen,
die schnepfen, die schnepfen,
gedacht sie anzuzepfen.
 
30. Also thet auch der Belican,
der grif der Braut daz erstmahl dran,
des nirschlins begern,
wenn die Braut rüber Zu Kheren.
 
31. Der Sperber, der Sperber,
war auß der massen erbar,
der legt die Zwey Zusammen,
weils ihr einander namen.
 
32. Noch ainen Vogel, noch ainen Vogel,
den will Ich euch nit nennen,
wan ihr secht, wan ihr ihn secht,
so werdt ihr ihn wol kennen.
 
33. Es ist fürwahr ein Armer tropf,
hat haar am Halß, und kains am Kopf,
der selbig haist der schnappauf,
er stodh Zu mitternacht auf.
 
34. Es ist ain frembder Vogel
Gekhommen in daz land,
den schnabel steckt er in daz nest,
die Eyer oben auf dem randt.
 
35. Er ist auch auf dem ruecken,
wol Zwayer finger breit,
er ist mit einer flieden
gehawen in sein Haid.
 
36. Also hat man vernommen,
wer auf die Hochzeit ist kommen,
die waren frölich bey dem Vest,
Zu lest flog Jeder Zu seim nest.
 
37. Wer ist der unß daz liedlein sang,
Von 65. Vögel gsungen,
hats wol gemacht,
wers nit glauben will, mag selbs auf d'Hochzeit kommen.


Philipp Hainhofer: Lautenbuch 1603, Vierter Teil, Band 2. Manuskript (Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Signatur "Cod. Guelf. 18.8. Aug. 2°"), fol. 30v-32r.
(Originaldruck online greifbar: Titelseite, Lieddruck)


Editorische Anmerkung:
Philipp Hainhofer schrieb seine aus zwölf Teilen bestehenden und in zwei Bänden gebundenen Lautenbücher innerhalb eines Jahres nach seiner Hochzeit (am 29. Oktober 1601) nieder, im Jahr 1603 waren die Tabulaturen im Wesentlichen fertiggestellt, die Einbände im Jahr 1604; vgl. Joachim Lüdtke: Die Lautenbücher Philipp Hainhofers. Göttingen 1999 (Abhandlungen zur Musikgeschichte 5), S. 100 ff.
Der Zeilenumbruch, der dem Reimschema Rechnung zu tragen versucht, entspricht nicht der Vorlage. Abbreviaturen in Hainhofers Text, insbesondere die bestimmten Artikel "der", "die", "das" ("daz"), sind hier ausgeschrieben.
Zum problematischen Verhältnis von Text und Musik bei Hainhofer, speziell der rhythmischen Aufbrüche der Oberstimme im Falle dieses Liedes, vgl. Lüdtke, a. a. O., S. 199f. Wie auch bei Böhme, Altdeutsches Liederbuch 1877, S. 327–330 (Nr. 251) wurde oben Hainhofers "Nachdanz" und nicht die zugehörige vorhergehende Notation "Deutscher danz" ediert, weil letzterer verschiedene Tonrepetitionen enthält, welche "eine sinnvolle Textierung der Oberstimme des Tanzes verhindern" (ebd.). Lüdtke verweist auf eine parallele Musiknotierung in einem Lautenmanuskript Königsberger Provenienz (heute in Vilnius) aus dem frühen 17. Jahrhundert, welche die Zusammengehörigkeit von Text und Musik in Hainhofers problematischer Notierung belegt (dieser Beleg ist untextiert, aber ebenfalls übertitelt "Der stigelitz").

Worterklärungen:
(Str. 3) raute / die Raute: Pflanze, die für verschiedene Heilzwecke eingesetzt wurde; ein Rautenkranz bezeichnete die jungfräuliche Braut. (Str. 4) Phenix/der Phönix: antiker Zaubervogel, der aus der Asche auferstehen kann; greipfe / der Greif: orientalisches geflügeltes Fabelwesen. (Str. 10) Hemmerling / der Hämmerling, (Gold-)Ammer. (Str. 14) tache / die Tache, Hündin [?], loses Weib, Hure; heze / die Hätze, Elster. (Str. 15) Küninglin / das Küniglein, Kaninchen; Sprenze / die Sprenze, Gießkanne, auch übertragen auf eine "Dirne", i. e. eine junge, attraktive Frau. (Str. 18) Dachtel / Ohrfeige; gschößle / ein dem Hänfling nah verwandter Vogel; zugleich ist bayer. das "gschosl" eine Bezeichnung für die weiblichen Geschlechtsteile. Bößle / "Oberdeutsch Pößlein, eine scherzhafte Geberde, oder Rede, welche bloß zur niedrigen Belustigung dienet" (Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Bd. 3. Leipzig 1798, Sp. 812f.). (Str. 19) Zeußle / der Zeisig; meußle / das Mäuslein; ein groß Krümpel / einen großen Krummen (Phallus)? (Str. 20) gruenling / der Grünfink; Krumschnabel / der Kreuzschnabel. (Str. 21) rothkropf / das Rotkehlchen. (Str. 21) hafners / der Hafner, Töpfer; kramet / Wacholder; vermutlich ist der "kramet Vogel klug und weiß" die Wacholderdrossel. (Str. 22) Koppe / der Kaphaun, männliches Masthuhn. (Str. 25) stauden / der Strauch, Busch; Hott Vom Zaun / Grimms Wörterbuch zitiert zu dem Lemma "Hott" diesen Vers (nach Uhland): "zuruf an thiere, meist fuhrmannswort / im allgemein treibenden, scheuchenden sinne" (Bd. 10, Sp. 1844); Z brauten / zu ehelichen, euphemistisch für beschlafen. (Str. 26) wündenhalbs / der Wendehals. (Str. 27) hart brennen / stark quälen (?). (Str. 28) taucher / tauchender Wasservogel, Weihe; speyren / der Speier, Schwalbenart; wannenwäher / der Wannenweher, Turmfalke; (Str. 29) anzuzepfen / anzapfen im Sinne von anstechen (anzüglich). (Str. 30) nirschlin [?] / Böhme ediert "Riechlin". (Str. 33) schnappauf / Penis. (Str. 35) flieden / die Fliede, Flietmesser, chirurgisches Instrument zum Ritzen der Haut, das bei verschiedenen medizinischen Eingriffen, z.B. beim Aderlass, benutzt wurde.

Auch Achim von Arnim, einer der Herausgeber von "Des Knaben Wunderhorn" (3 Bde., 1806–1808), hatte die handschriftliche Aufzeichnung Hainhofers zur Kenntnis genommen. Aus seinem Nachlass edierte sie 1857 der Volksliedforscher Ludwig Erk: Sie enthält nur 33 Strophen, dazu die Anmerkung "4 Strophen sind ausgefallen", allerdings ohne den Grund dafür zu vermerken. Hainhofers Str. 29 ist hier unverfänglich umgeformt, weggelassen wurden Str. 30 sowie 33 bis 35; vgl. Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim und Clemens Brentano, Bd. 4. Nach A. v. Arnim's handschriftlichem Nachlaß hrsg. von Ludwig Erk. Berlin 1854, S. 260–265.

Als der Volksliedforscher Franz Magnus Böhme Hainhofers Lied 1877 in seinem "Altdeutschen Liederbuch" edierte (S. 327–330, Nr. 251), bemerkte er dazu erstaunlich ausführlich: "Ich habe auch 5 obscöne Strophen ausgelassen, nämlich 2 Strophen nach der 28. Sie handeln vom Wiedehopfen, Schnepfen, Belican und Riechlin und deren Berühren der Braut an ihren zartesten, verborgensten Körpertheilen. Wieder nach Strophe 30 habe ich 3 solcher undelicater Gesätze ausgeworfen, die den Schnapp auf (Penis) und dessen Verrichtungen näher beschreiben." (Str. 29, 30 und 33–34). In ähnlicher Form vermerkt Böhme die Auslassungen im ersten Band des "Deutschen Liederhort[es]" (Nr. 163a), der 1893 erschien Erk/Böhme 1893.
last modified 11.12.2012 10:01
 

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