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Der Mai, der Mai, der lustige Mai


Das brauchtümliche Lied "Der Mai, der Mai, der lustige Mai" wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals am Mittelrhein aufgezeichnet. Im 20. Jahrhundert hat es als Frühlings- und Wanderlied Verbreitung gefunden.

I. Zu den wichtigen sprachwissenschaftlichen Werken des 19. Jahrhunderts zählt eine von Johannes Matthias Firmenich unter dem Titel "Germaniens Völkerstimmen" herausgegebene mehrbändige Beispielsammlung mundartlicher Texte (1843ff.), darunter zahlreiche "Volkslieder", die Korrespondenten eingesandt hatten. So notierte 1847 ein Lehrer aus Köln in Hemmerich (einem kleinen, nordwestlich von Bonn gelegenen Dorf) mehrere brauchtümliche, im lokalen Dialekt gesungene Mailieder, die dann im 3. Band der "Völkerstimmen" (1854–1861) veröffentlicht wurden. Das erste der hier mitgeteilten Lieder – "Der Mai, der Mai, der lustige Mai" (Edition A) – war seinerzeit auch in anderen Orten der engeren Region bekannt. Der Germanist Karl Simrock zeichnete es in Rheindorf (heute ein Stadtteil von Bonn) auf und publizierte es, hochdeutsch eingerichtet, 1851 in seiner Sammlung "Die deutschen Volkslieder" (Edition B). Vor 1860 soll das Lied ebenfalls im Maibrauchtum von Sieglar eine Rolle gespielt haben (Hans Weber 1935). Das tatsächliche Alter des Liedes ist unbekannt.

II. Der Kontext des Liedes ist zugleich sein Gegenstand: Lyrisches Ich ist ein junger Mann, der am Vorabend des 1. Mai einen Zweig oder Baum mit frischem Grün schlägt (der auch als "Maien" bezeichnet wird). Geschmückt bringt er diesen zum Haus seiner "Herzliebsten", um ihn dort zu "pflanzen" (vgl. Edition A, Strophe 1–3). Abgehoben wird hier auf die im Rheinland z. T. bis heute tradierte Gepflogenheit des so genannten Mailehens: dabei versteigern "Junggesellenvereine" unter sich die am Ort lebenden unverheirateten Mädchen, denen der jeweils Meistbietende dann einen Maien setzt. Diese ritualisierte Kontaktnahme gilt im Lied "Der Mai, der Mai, der lustige Mai" einem Mädchen, auf das der junge Mann länger schon ein Auge geworfen hat (vgl. Edition A, Strophe 5; Edition B, Strophe 6). Die Umworbene zeigt sich jedoch abweisend. Bemerkenswert ist, dass der erwähnte Kölner Lehrer das Lied 1847 in Hemmerich nicht aus dem Mund junger Burschen hörte (wie es vom Inhalt her nahe läge), sondern bei einem Maireigen der Dorfmädchen.

III. Erstmals mit Melodie veröffentlicht wurde "Der Mai, der Mai, der lustige Mai" 1886 in Max Friedlaenders "Hundert Deutschen Volksliedern (zum Theil bisher ungedruckt) für eine Singstimme mit Begleitung des Klaviers" (Edition C). Entnommen hatte Friedlaender sie der wohl 1860 entstandenen und bis auf einige Lieder ungedruckt gebliebenen Sammlung "Volksmelodien aus dem Siebengebirge" des Elberfelder Musikverlegers Friedrich Wilhelm Arnold (1810–1864). Das heute verschollene Manuskript lag auch dem Volksliedforscher Franz Magnus Böhme vor. Im "Deutschen Liederhort" (Erk/Böhme 1894) dokumentierte er das Lied, das hier "Reigen um den Maibaum" überschrieben ist, in der Textfassung Simrocks (Edition B) mit der von Arnold aufgezeichneten Melodie (Edition C) und der Angabe "aus dem Siebengebirge (vor 1860)".

IV. Eine breitere Rezeption jenseits der Region, in der es brauchtümlich verankert war, erfuhr "Der Mai, der Mai, der lustige Mai" ab Mitte der 1920er Jahre durch Aufnahme in Schulliederbücher (Erstbeleg: Der Maibaum, Bd. 2. München 1927) sowie in Liederbücher der Jugendbewegung. Einher ging das mit einer radikalen Textreduktion. In vielen Fällen wurde einzig die erste Strophe des ursprünglichen Liedes übernommen – im "Maibaum" (1927) ebenso wie von Fitz Jöde 1929 in "Frau Musica. Ein Singbuch fürs Haus" (Edition E) –, womit es allgemeineren Charakter bekam. In der Folge wurde es zu einem der bekanntesten Frühlingslieder. Die Jugendbewegung etablierte es auch als Wanderlied. Eine Wanderlied-Fassung mit drei hinzu gedichteten Strophen Maria Kahles (1925) fand allerdings keine größere Resonanz (Edition D). Der Rezeptionshöhepunkt des Liedes liegt in den 1950er und 60er Jahren. Eine Rolle spielte es nach wie vor im rheinischen Maibrauchtum, doch auch hier nun in gekürzter Form (Edition F).

TOBIAS WIDMAIER
Quellenrecherche: JOHANNA ZIEMANN
(Mai 2008)



Editionen und Referenzwerke
Weiterführende Literatur
  • Hans-Willi Wey: Mailehen – Erlebnis des "Überlebten". Ein Brauch als Medium. Phil. Diss. Göttingen 2002. [Elektronische Ressource]
  • Hans Weber: Die Hauptgruppen der rheinischen Maibräuche in kulturgeschichtlicher und kulturgeographischer Betrachtung. Phil. Diss. Köln 1935, S. 18f. (Liedbeleg Roisdorf) u. 31f. (Liedbeleg Sieglar).


Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: —
  • Gedruckte Quellen: häufig in Gebrauchsliederbüchern
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: selten auf Tonträgern
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Tobias Widmaier: Der Mai, der Mai, der lustige Mai (2008). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/der_mai_der_mai_der_lustige_mai/>.


© Deutsches Volksliedarchiv
last modified 16.10.2012 10:31
 

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