A. Christenheit, ich ruf dir zu
(Russland 1928)
Text: anonym
| Ein Brief eines jungen Soldaten. | ||
| 1. | Christenheit, ich ruf dir zu: | |
| Leb doch nicht länger in der Ruh! | ||
| Bedenke doch in dieser Zeit, | ||
| Bereite dich zur Ewigkeit! | ||
| 2. | Das End der Welt ist nicht mehr weit! | |
| Es nahet dir die Ewigkeit. | ||
| Geh, eile, weile für dich nach Gnad | ||
| Und Christen nach dem rechten Pfad! | ||
| 3. | Erweiche doch den harten Sinn | |
| Und schau auf das Schlachtfeld hin! | ||
| Erkennst du noch die Strassen nicht, | ||
| Gottes Zorn und sein Gericht? | ||
| 4. | Wenn manches Land wird jetzt verstört | |
| Und manche grosse Stadt zerstört, | ||
| Vernichtet wieviel irdisch Gut | ||
| Durch Gottes Zorn und seine Rut. | ||
| 5. | Die junge Mannschaft steht nur da | |
| Und ist dem schnellen Tode nah. | ||
| Wie viele sind in kurzer Zeit | ||
| Schon droben in der Ewigkeit! | ||
| 6. | Erschossen ist manch Mutterkind. | |
| Das Blut in grossen Strahlen quillt. | ||
| Wie ma[n]cher reisst den Hals entzwei, | ||
| Dass er kein Mensch mehr ähnlich sei. | ||
| 7. | Millionen werden hingestellt | |
| In schönster Blüte und in Kraft. | ||
| Manchen schlägt ein Glut entzwei, | ||
| Dass er sein Leben lang ein Krüppel sei! | ||
| 8. | Wie manchen sticht man durch das Herz. | |
| Wie schrecklich gross ist doch der Schmerz! | ||
| Das Blut quillt aus der Wunde rot. | ||
| In einer Stund' dann ist er tot. | ||
| 9. | Viele Eltern weinen um ihren Sohn, | |
| Schauen auf zu Gott ... | ||
| Himmel, erbarme dich unsrer in der Not: | ||
| Mein Sohn ist tot, mein Sohn ist tot! | ||
| 10. | Verlassen steht manche Witwe da | |
| Von ihrem Mann, der ihr so nah! | ||
| Sie lieben sich im Herzen sehr. | ||
| Sie sieht ihr Antlitz nun nicht mehr. | ||
| 11. | Viele Waisen gibt's in dieser Zeit | |
| Und auch ein grosses Herzeleid. | ||
| Es rufen viele Kinder aus: | ||
| Vater, Vater, komm nach Haus! | ||
| 12. | Bedenke doch, der du zu Haus | |
| Lebest in dem Welt Gebraus. | ||
| Kanonendonner ruft dir zu: | ||
| Auch du, auch du hast keine Ruh! | ||
| 13. | Gott will den Tod der Sünder nicht, | |
| Weil er's in seinem Wort verspricht: | ||
| Er soll von Sünden halten still, | ||
| Und tun, was Gott nur haben will. | ||
| 14. | So will er denn erbarmen sich | |
| Und mit dir leben ewiglich. | ||
| Ach, kehr von deinen Sünden um, | ||
| So wirst du einst im Himmel ruhn. | ||
Aufgezeichnet in der Kolonie Ofzyna, Kreis Leningrad (Russland) im März 1929 durch Viktor Schirmunski; Gewährsperson: Kath. Muss, geb. Dahlinger, ca. 30 Jahre alt. Abschrift aus deren handschriftlichem Liederheft.
DVA: DVL – M 54, Nr. 1 (L)
IRLI Handschr. Abt.: Fond 104 – 21 – 203, Veröffentlichung mit Genehmigung von IRLI RAN, Sankt-Petersburg.
Dort folgende Anmerkung: "Melodie unbekannt. Nach Angabe der Sängerin – aus dem Briefe eines Soldaten im Kriege."
last modified
16.09.2013 02:09