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Christenheit, ich ruf dir zu


"Christenheit, ich ruf dir zu" ist sowohl Kriegsklage als auch ein christlich-moralischer Appell zu einem gottgefälligen Leben im Angesicht der Apokalypse. Entstanden während des Ersten Weltkriegs, ist dieses Lied bislang nur singulär in einem handschriftlichen Liederheft belegt und geht offenbar auf die private Dichtung eines russlanddeutschen Soldaten zurück. Ob sein Text auch breiter rezipiert wurde, lässt sich mangels weiterer Quellen bislang nicht sagen.

I. Der bislang einzige Beleg von "Christenheit, ich ruf dir zu" wurde im Jahr 1929 von dem Germanisten und Philologen Viktor Schirmunski im Umland von Leningrad aufgezeichnet. Diese Abschrift aus dem handschriftlichen Liederheft einer rund 30-jährigen Russlanddeutschen aus der Siedlung Ofzyna ist ihrerseits eine Kopie: die Gewährsperson hat den Text dem Brief eines Soldaten entnommen (Edition A). Zwar ist das Entstehungsjahr des Liedes nicht datiert, sein Inhalt verweist jedoch eindeutig auf den Zeitraum des Ersten Weltkriegs. Schirmunski zufolge war seiner Informantin die zugehörige Melodie nicht bekannt. Möglicherweise wurde "Christenheit, ich ruf dir zu" nie als Lied gesungen, sondern lediglich als lyrischer Text in das Liederheft aufgenommen. Ob dem so war ist bislang ebenso unklar wie die weitere Rezeption des Gedichtes.

II. Dieser Text eines unbekannten Autors thematisiert auf einer sehr allgemeinen Ebene, ohne konkrete Orte oder Ereignisse zu nennen, das entsetzliche Leid des Ersten Weltkriegs. Im Vordergrund des Liedes steht denn auch weniger der Aspekt der Kriegsklage; vielmehr nutzt der Autor diese Liedgattung als Vehikel, um einen christlich-moralischen Aufruf zu einem sündenfreien, gottgefälligen Leben zu formulieren. Apokalyptische Motive durchziehen die gesamten vierzehn Strophen des Liedes, denn das Geschehen des Ersten Weltkriegs wird als nahendes Weltende interpretiert. Das Tod und Leid bringende Kriegsgeschehen wird als Gottes Wink mit dem Zaunpfahl gedeutet, das Leben nach christlichen Wertvorstellungen und Prinzipien auszurichten. Eingebettet in diese apokalyptische Predigt in Versform sind Wanderstrophen über den Abschied von den Angehörigen, sowie deren Trauer und Leid, wie sie in einer Vielzahl von Soldatenlieder zu finden sind. Im Kontext dieses Liedes erhalten sie jedoch eine etwas andere Konnotation und stützen die Kernaussage des Verfassers: "Ach, kehr von deinen Sünden um, so wirst du einst im Himmel ruhn."

INGRID BERTLEFF
(Juni 2010)



Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: Einzelbeleg aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: —
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: —
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Phonogrammarchivs St. Petersburg (IRLI) und des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Ingrid Bertleff: Christenheit, ich ruf dir zu (2010). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/christenheit_ich_ruf_dir_zu/>.


© Deutsches Volksliedarchiv
last modified 06.03.2017 09:46
 

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