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You are here: Home Lieder Guter Mond, du gehst so stille Edition C: Moritat 1817
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C. Höret an die Mordgeschichte

(Moritat 1817)


Text: Franz Steiner

Scan der Editionsvorlage
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Melodie: Guter Mond, du gehst so stille etc.
oder: Will ich nicht, so muß ich weinen etc.
 
1. Höret an die Mordgeschichte,
Die in Engelsberg geschah;
Es ist wahrlich kein Gedichte,
Reine Wahrheit, die ich sag':
Wie ein Vater unbesonnen,
Fünf Personen umgebracht;
Es konnt' ihm auch kein's entkommen,
Weil es spät war in der Nacht.
 
2. Ein Mann von acht und zwanzig Jahren,
In der besten Lebenszeit;
Rößler Joseph ist sein Nahmen,
Er war Soldat nur eine Zeit,
Doch ist er bald davon gekommen,
Was sein' größte Freude war;
Hat sich sogleich ein Weib genommen,
Und Niemand ahndet kein' Gefahr.
 
3. Sie zeugten auch zusamm'n zwey Kinder,
Ein Töchterlein und einen Sohn;
Das Weib war zärtlich, noch wie immer,
Wie wir werden hören schon. |[fol 2r]
Bis endlich Eifersucht entstanden,
Von beiden Seiten auf einmal;
Das dritte Kind war schon vorhanden,
Mit dem sie hochschwanger war.
 
4. Er kam zu Haus und fande schlafen,
Sein' Schwiegermutter, Weib und Kind.
Er rief, man sollte ihm aufmachen,
Und dieß geschahe auch geschwind.
Das Weib fieng mit ihm an zu zanken,
Wo er denn wieder so lange blieb,
Und er faßte den Gedanken,
Daß Sie's mit einem Andern trieb.
 
5. Noch eine Zeit lang gieng das Lärmen,
So daß es ihre Mutter hört.
Das Weib, die thäte sich abhärmen,
Und fragt, was er von ihr begehrt.
Er aber sagt, ich werd dir zeigen,
Und nahm das Knetscheid in die Hand,
Schlug einen Streich nun nach dem andern,
Bis sie zugleich zu Boden sank.
 
6. Die Mutter schrie: ach, Gott erbarme!
Mein Kind ist todt, um Gottes Wille.
Er aber faßte sie beym Arme,
Schlug wüthend auch zur Erde sie.
Es schrien auch die kleinen Kinder:
Ach Vater! liebster Vater mein!
Er aber hörte kein Gewimmer,
Und schlug das Knetscheid ganz entzwey. |[fol 2v]
 
7. Betäubt, vom Mordscheid hart geschlagen,
Lagen sie jetzt hingestreckt;
Er aber thät noch nicht verzagen,
Weil neue Wuth noch in ihm regt;
Er nahm die Holzaxt mit Beginnen,
Schlug Schwiegermutter, Weib und Kind
Viel Wunden in die Köpf mit Grimmen.
Bis sie ganz zerschmettert sind.
 
8. Es regten sich die Lebensgeister
Des andern Tags noch in der Früh;
Er aber selbsten war sein Meister,
Und sein Herz verzagt noch nie.
Er schleppte sie in eine Kammer,
Dort sollten sie verborgen seyn.
Ihn aber rührt kein Leid, kein Jammer,
Weil er dacht', jetzt ists vorbey.
 
9. Tieger, Löwen, Leoparden
Ziehen ihre Jungen auf,
Und der Wolf mit seinen Rachen
Raubt und füttert sie doch auf;
Selbst die Eydechs bringet Nahrung,
Und die Schlang' schützt ihre Brut.
Und dieser Vater konnte morden,
Daß es ihm nicht wehe thut.
 
10. Noch ein'ge Tag war zu sehen,
Ganz heiter und auch nicht verzagt,
Er sagt: wißt ihr was Neu's geschehen,
Ich hab' meine Leute ausgejagt, |[fol 3r]
Er gieng herum mit vollem Muthe,
Denn Niemand wußte sein Vergehn,
Doch fürchtet er die Straf-Ruthe,
Und ließ sich dann nie wieder sehn.
 
11. Jetzt irr' herum, du Raben-Vater!
Ein jedes Baumlaub schrecke dich;
Verbirgst du dich auch, wie die Natter,
Doch dein' Unruh' entdecket dich.
Sahst du nicht die kleinen Kinder,
Wie schmerzlich sie dich angesehn,
Und der Knabe, der noch minder
Thät wehmüthig bitten, flehn.
 
12. Es waren schon acht Tag vergangen,
Daß Niemand wußte, was geschehn;
Die Herren aber vor Verlangen,
Thäten also gleich nachsehn.
Sie ließen einen Schlosser kommen,
Der die Thüre öffnen muß.
Und als sie in das Haus gekommen,
So dumpfet schon der Todteng'ruch.
 
13. So wie sie in das Zimmer kamen,
Mit Schreck und Staunen war zu sehn,
Die Wände ganz mit Blut behangen,
Und auf der Erd' konnt' man noch sehn,
Wie gräßlich er die armen Leute,
Sein Weib und Kinder zugericht,
Weil das Mordzeug auf der Seite
Noch dorten bey den Todten liegt. |[fol 3v]
 
14. Mit Stroh bedeckt, fand man sie liegen,
In dieser Kammer alle vier
Ach Gott! wie schmerzlich waren die Züge
Bey den kleinen Kindern hier.
Der Knab' hielt seine kleinen Hände
Sich vors Gesicht und schied dahin;
Das Mädchen hat mit Schmerz vollendet,
Und lag im Blut gestrecket hin.
 
15. Jetzt war Kommission gekommen,
Das schwangre Weib ward aufgemacht;
Ein Kind hat man von ihr genommen,
Das wirklich schon das Leben hatt'.
Doch mußt die Unschuld sammt der Mutter
Mit Weh und Schmerzen sterben hin.
Betrachten wir einmal jetzunder,
Was doch der Mensch hat vor ein'n Sinn.
 
16. Die Anstalt wurde bald getroffen,
Daß man sie zu der Erde bracht;
Ein Grab für alle fünf Personen
Wurd' auf dem Freudhof gleich gemacht;
Die Mutter hielt das Kind in Armen,
Was die Welt noch nie gesehn.
Der Leichenzug, gieng von dannen,
Ganz traurig war er anzusehn.
 
17. Zuvor trug man den kleinen Knaben,
Und hinter ihm das Mägdelein,
Mit Staunen ist kaum auszusagen,
Daß so ein Mordthat geschehen sey. |[fol 4r]
Jetzt trug man das Weib und die Großmutter,
Vier Särge gleich in einem Zug,
Und es war wirklich da kein Wunder,
Das Manchem eine Thräne schlug.
 
18. Der Knab war drey Jahr, fünf das Mädchen,
Das Weib erst sieben und zwanzig Jahr.
Die Schwiegermutter auch dagegen,
Schon sechs und fünfzig Jahre war.
Viele hundert Menschen waren zugegen,
Aus dieser Gegend, um zu sehn,
Bis man alle fünf Personen,
In ein Grab hätt' senken sehn.
 
19. Ruhet sanft, geliebte Kinder,
Mutter und Großmutter auch;
Eure Leiden sind vorüber,
Und ihr habt gerungen aus.
Grausam, schmerzlich war die Marter,
Die ihr jetzt vollendet habt,
Weil der Mörder, euer Vater,
Euch so zeitlich stürzt ins Grab.
 
20. Man hatte äußerst nachgespähet,
Wo dann der Verbrecher sey.
Allein er war noch in der Nähe,
Und glaubt', daß er noch sicher sey.
Er ist dann plötzlich eingekommen,
Man schickte ihn nach Troppau hin,
Und sein Verhör wurd' aufgenommen,
Doch hatte er noch frohen Sinn. |[fol 4v]
 
21. Auf der Schandbühn' muß er stehen,
Und sein Urtheil hören an.
Viele Menschen waren zu sehen,
Neugier reizte Jedermann;
Endlich wurd' es ihm vorgelesen!
Auf zwanzig Jahr nach Spielberg hin,
Und alle Jahr am Mord-Tag eben
Zwanzig Stockstreich schlagen ihn.
 
22. Jetzt schmachte du Tyrannen-Vater,
Verwelken wird deine Lebenszeit;
Gedenke jährlich an die Marter,
Die du den Deinen hast bereit.
Blick' dahin mit Wehmuthszähren,
Stell' dir dein schwangres Weib noch vor,
Erinn're dich noch an die Thränen,
Die das Mädchen und der Knab' verlor.
 
23. Achtzehn Hundert Fünfzehn war es,
Am sieben und zwanzigsten April;
Wie ich die Geschicht erfahren,
Drum ich sie euch mittheilen will,
Daß die Nachwelt daran denke,
Was in Engelsberg gescheh'n,
Denn dort ist zum Angedenken,
Das Trauer-Grabmal noch zu seh'n! ―


Grausame Mordgeschichte, welche zu Engelsberg in Ober-Schlesien geschehen, wie ein Vater zwey Kinder, sein hochschwangeres Weib, sammt der Schwiegermutter am 19ten April 1815 auf das schmerzhafteste umgebracht hat. Verfaßt von Franz Steiner, Tuchmachergesell aus Freudenthal. Neustadt 1817.
DVA: Bl 5644


Editorische Anmerkung:
Für einen Moritatendruck ungewöhnlich ist die Angabe des Verfassers. – Zur Lokalisierung der Flugschrift sowie der behandelten Geschehnisse: Die Morde wurden in Engelsberg verübt (heute: Andělská Hora ve Slezsku / Tschechien), einem kleinen Ort bei Freudenthal (heute: Bruntál / Tschechien), in dem auch der Verfasser der Moritat ansässig war. Der Gerichtsprozess fand in Troppau statt (heute: Opava / Tschechien; vgl. Str. 20), seine Zuchthausstrafe verbüßte der Täter auf der Brünner Festung Spielberg (heute: Špilberk; vgl. Str. 21). Während die ersten drei genannten Orte seinerzeit zu Österreichisch Schlesien gehörten, lag der Verlagsort Neustadt (heute: Prudnik / Polen) im preußischen Oberschlesien, rund 50 km entfernt von Freudenthal.
last modified 28.09.2016 03:24
 

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