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You are here: Home Lieder Nah bei Wien, im deutschen Lande Edition B: Liederhandschrift Rügen 1900
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B. Nah bei Wien im deutschen Lande

(Liederhandschrift Rügen 1900)


Text: nach Ludwig Würdig (1818–1889)

Scan der Editionsvorlage
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1. Nah bei Wien im deutschen Lande
Habt ihr es vernommen schon
Ward zu Deutschlands Schmach und Schande
Hingewürgt ein deutscher Sohn
Hähne knacken ketten rasseln
Das Kommandowort schlag an
Und es beugt den theuren Nacken
Robert Bluhm den freien Mann
 
2. Fragt ihr noch was er verbrochen
Für die deutsche Freiheit hat
Er ein liebes Wort gesprochen
In der großen Kaisersstadt
Ringet nach den schönen worten
In den heimathlichen höhn
Wollte Deutschland er so gerne
Stark und Frei und glücklich sehn
 
3. Seht den Fürstenknechte zittern
Für die Wahrheit groß und klein
Die gleich brausenden Gewittern
Unser Vaterland umziehn
Windischgrätz ein Mensch im Kriege
Feiger würge, würge fort
Aber Deutschlands heilge Krieger
Rächen blutig diesen Mord
 
4. Laßt mit Orden dich belohnen
Und mit Ketten schmücken dich
Suche schutz auf Deutschlands throne
Denn dein Volk verachtet dich
In den Büchern der Geschichte
Wirst du über Tilli stehn
Und beim ewgen Weltgerichte
Arm in Arm im Alma gehn
 
5. Schau auf deines Grabeshügel
Lenzen Blumen werden blühn
Aber Deutschlands heilge Sieger
Unser Vaterland durchziehn
Tief herrunter soll erschallen
Hoch herab vom Paradies
Die Tirannen sind gefallen
Robert Bluhm nun schlumre süß


Liederhandschrift "Volkslieder ernsten und heiteren Inhalts. Geschrieben im Jahr 1900 zu Thießow auf Rügen von Johann Darm. Oberlotse a. D.", Lied Nr. 23.
DVA: A 106082


Editorische Anmerkung:
Der Seemann Johann Darm war 1848 – also zur Zeit der Revolution und der Erschießung von Robert Blum – ein junger Mann von 23 Jahren. Er könnte das Lied somit aus eigenem Zeit-Erleben gekannt haben.
Aufgeschrieben hat er es aber erst im Alter von 75 Jahren, zusammen mit anderen "Volksliedern ernsten und heiteren Inhalts". Seine Liedaufzeichnungen wurden 1928 vom Fischhändler Friedrich Darm aus Friedland (Mecklenburg) an das Pommersche Volksliedarchiv eingesandt. Dazu sind folgende Lebensdaten von Johann Darm genannt: "geb. zu Freest (Kr. Greifswald) am 24. November 1825; gestorben 24. Juli 1911".
In der von Johann Darm überlieferten Textfassung fehlt die 5. Strophe von Würdig (s. Edition A). Ansonsten sind die Textabweichungen relativ geringfügig. Sie weisen typische Merkmale langjähriger (möglicherweise auch mündlicher) Tradierung auf:

listenpunkt_blau   Wort-Sinn-Verschiebungen in klangähnlichen Wendungen:
Str. 2, Vers 6: "In den heimathlichen höhn" (statt: "Aus der Heimat lichten Höhn"),
Str. 6, Vers 5: "Tief herunter soll erschallen" (statt: "Tief hinunter soll es schallen"),

listenpunkt_blau   Austausch einzelner Worte:
Str. 1, Vers 7: "Und es beugt den theuren Nacken" (statt: "den freien Nacken"),
Str. 2, Vers 4: "In der großen Kaisersstadt" (statt: "In der deutschen Kaiserstadt"),
Str. 2, Vers 5: "Ringet nach den schönen worten" (statt: "Ringend nach den schönen Sterne"),
Str. 3, Vers 2: "Für die Wahrheit groß und klein" (statt: "Vor der Wahrheit groß und nackt"),
Str. 6, Vers 4: "Unser Vaterland durch ziehn" (statt: "umglühn"),
Str. 6, Vers 8: "Robert Blum nun schlumre süß" (statt: "nun schlafe süß!").

listenpunkt_blau   (damit einhergehend) inhaltliche Neuakzentuierungen:
Str. 3, Vers 5: "Windischgrätz ein Mensch im Kriege" (statt: "Windisch-Grätz, entmenschter Krieger")
Str. 4, Vers 3: "Suchen schutz auf Deutschlands throne" (statt: "Suche Dank auf …"),
Str. 4, Vers 4: "Denn dein Volk verachtet dich statt: "Deutschlands Volk verachtet dich!"),
Str. 4, Vers 6: "Wirst du über Tilli stehn" (statt: " Wirst du neben Tilly stehn"),

listenpunkt_blau   Umstellungen einzelner Verse und Versteile:
Str. 3, Vers 4: "Unser Vaterland umziehn" (statt: "Alle Sklavenseelen packt!"),
Str. 3, Vers 7: "heilge Krieger (statt: "Freiheitssieger"),
Str. 6, Vers 3: "Aber Deutschlands heilge Sieger" (statt: "Wird der Freiheit heil'ger Flügel"),
Bei allen drei Stellen handelt es sich vermutlich weniger um bewusste Eingriffe in den Text als um erinnerungsbedingte Verwechslungen:
Str. 3, Vers 4 ist eine variierte Vorwegnahme des Verses 4 in Str. 5,
Str. 5, Vers 3 ist eine variierte Wiederholung von Vers 7 in Str. 3, und in dieser Form noch näher an Würdigs Original (s. Edition A, Str. 3, Vers 7).
last modified 16.01.2013 12:34
 

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