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Liederlexikon

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You are here: Home Lieder Hört Menschen eine Schreckenskunde Edition A: Ukraine 1926
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A. Hört Menschen eine Schreckenskunde

(Ukraine 1926)


Text: anonym
Melodie: anonym; nach "Wer nur den lieben Gott lässt walten"

Scan der Editionsvorlage
 1  2

Vom Pastor Baumann

1. Hört Menschen eine Schreckenskunde,
Die längst in Prischib ist geschehn.
Es schlägt in aller Herzen Wunde
Den Anblick den man dort gesehn:
Ein Pastor, Gattin und sein Kind
Des Nachts im Schlaf ermordet sind.
 
2. Ein Mann von zweiundsiebzig Jahren,
Von jedermann so hoch geacht –
Der muss mit seinen grauen Haaren
So schrecklich worden noch entehrt.
Denn nachts er in dem Bette fand
Den Tod durch eines Frevlers Hand.
 
3. Auch seine Gattin ihm zur Seite,
Die Freud und Leid getragen hat,
Sie musste werden eine Beute
Des frohen Mörders böser Tat,
Auch eine Jungfrau zart und schön
Muss man im Blute sehn.
 
4. Ach, welch ein Anblick, Leich an Leiche!
Ein Vater, Mutter und ihr Kind!
Mit Tränen muss man das Angesicht feuchten,
Denn man fast keinen Trost mehr findt,
Viel Fragen an dem Sarge stehn:
"Warum Herr lässt du das geschehn?"
 
5. Wer hat das Unheil angerichtet?
Was haben denn die alten Leut
Denn, der das Leben Tun verrichtet
Und frecher Tat sich nicht gescheut?
Gott bringt die Tat doch an das Licht
Ja, ihm entgeht der Mörder nicht.
 
6. Die Kinder flehn im langen Schauer
O, Gott, sei du ihr Trost und Hort!
Wenn sie nun tragen grossen Trauer
Ihr Vater, Mutter, Schwester Lebens Morgenrot.
 
7. Nun treuer Bischof deiner Herde,
Die du hast hier so treu geliebt,
Du rufst von aller Last der Erden,
Geniesse, was dein Gott dir gibt!
Jetzt prangest du im höhern Licht,
Und dich schrickt dort kein Mörder nicht.
 
8. Wie hast du betend stets getragen
An deinem Herzen väterlich.
Auch jedem wusstest du zu sagen
So schöne Worte tröstendlich.
Hab Dank für deine Sorg und Müh,
Die du getragen spät und früh.
 
9. Ja, unvergesslich wird es bleiben,
Und im Gedächtniss treu und wert
In eure Herzen müsst's ihr's schreiben,
Was er euch hat so oft gelehrt.
O grosser treuer Gott, gib du
Nun ihrer Asche sanfte Ruh.


Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung aus der russlanddeutschen Siedlung Kolonie Prischib (Molotschnaja, Ukraine) im Sommer 1926 durch Alfred Ström, Gewährsperson nicht genannt.
DVA: DVL – M 17, Nr. 6
IRLI Handschr. Abt.: Fond 104 – 12 – 53, Veröffentlichung mit Genehmigung von IRLI RAN, Sankt-Petersburg.

Dort folgende Melodieangabe: "Auf d. Melodie: 'Wer nur den lieben Gott lässt walten'."


Editorische Anmerkung:
Das geistliche Vertrauenslied "Wer nur den lieben Gott lässt walten" wurde auf unterschiedliche Melodien gesungen. Die am meisten verbreitete Melodie war die von Georg Neumark (1621–1681) komponierte (siehe Liedkommentar "Wer nur den lieben Gott läßt walten", Edition A). Ob in der Prischiber Gegend das Lied ebenfalls nach dieser Weise gesungen wurde, ist jedoch nicht bekannt.
Der edierte Liedtext wurde im Ort des Geschehens aufgezeichnet und ist einer der vollständigsten unter den überlieferten Varianten. Doch in allen anderen Fassungen der Moritat besteht die sechste Strophe aus sechs Versen. Hier eine dieser Varianten ohne textliche Auslassung in dieser Strophe:

Die Kinder flehn um lange Trauer:
O Gott, sei du ihr Trost und Hort,
Wenn sie nun tragen lange Trauer
Ihr Vater, Mutter, Schwester fort.
O, windet über Grab und Tod
Des ewgen Lebens Morgenrot.
Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung aus der russlanddeutschen Siedlung Kolonie Alt-Nassau (Molotschnaja, Ukraine) im Jahr 1927 durch Alfred Ström. Gewährsperson nicht genannt.
DVA: DVL – M 17, Nr. 7
IRLI Handschr. Abt.: Fond 104 – 12 – 54, Veröffentlichung mit Genehmigung von IRLI RAN, Sankt-Petersburg.

Alle Varianten dieses Liedes in der Schirmunski-Sammlung korrespondieren im Wesentlichen mit der vorliegenden Version (siehe DVA: DVL – M 17, Nr. 1–4, 6, 7; bei Aufzeichnung Nr. 5 handelt es sich um das Lied "Von einer Mordsgeschichte hört", Edition A). Es finden sich lediglich kleinere Abweichungen im Wortlaut wie z.B. Schreckenskunde/Schreckensstunde (Strophe 1, Vers 1), längst/jüngst (Strophe 1, Vers 2), Pastor/Bischof (Strophe 1, Vers 5), Greis/Mann (Strophe 2, Vers 1), Frevlers/Feindes (Strophe 2, Vers 6) sowie vereinzelte Rechtschreibfehler und mehr oder minder sinnentstellende Verhörer oder geringfügige textliche Variationen, die den Sinngehalt nicht verändern.
last modified 07.07.2010 10:40
 

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