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Das Leben gleicht den Jahreszeiten


"Das Leben gleicht den Jahreszeiten" ist ein allegorisches Lied, in dem die Abfolge der Jahreszeiten auf den menschlichen Lebenslauf bezogen wird. Verfasst hat es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Johann Samuel Patzke (1727–1787). In einigen Gebrauchsliederbüchern der Aufklärung wurde das Lied abgedruckt, insbesondere im wirkmächtigen "Mildheimischen Liederbuch" (1799). Darüber hinaus entfaltete es jedoch keine erkennbare Wirkung.

I. In den ersten beiden Strophen des Liedes werden Charakteristika der vier Jahreszeiten in Bezug auf Saat und Ernte geschildert, die dann in den Strophen drei bis fünf auf das menschliche Leben appliziert werden. Motivgeschichtlich sind in der Dichtung zwei Komplexe enthalten: Der eine – bis in die Antike zurückreichende – sieht im Jahreslauf eine Allegorie des menschlichen Lebens. In der Neuzeit wurde damit die Warnung verknüpft, die Zeit weise zu nutzen: Einerseits durfte das Leben genossen (carpe diem), andererseits sollte es als Zeit der Bewährung sinnvoll gestaltet werden. Der zweite Motivkomplex ist in dieser Zuspitzung und Formulierung typisch für die Aufklärung: In der dritten Strophe versichert der Sänger, der "Tugend Saat" bereits in jungen Jahren in das Herz einpflanzen zu wollen.

II. Der Autor des Liedes, Johann Samuel Patzke, war ein auch als Journalist, Übersetzer und Schriftsteller tätiger evangelischer Pfarrer. Neben zahlreichen Predigten, Erzählungen, Liedern und Gedichten gab er verschiedene Wochenzeitschriften heraus, darunter "Der Greis" (Magdeburg 1763–1766). Seine Gedichte wurden von verschiedenen Komponisten, seine Oratorienlibretti vom Magdeburger Komponisten Johann Heinrich Rolle (1716–1785) vertont.

III. Der älteste greifbare Beleg des Liedes stammt aus der 1782 in Dessau veröffentlichten Sammlung "Zweihundert und zehn Lider frölicher Geselschaft und einsamer Frölichkeit" (Edition A), gesammelt von Christian Heinrich Wolke (1741–1825), der als philanthropisch gesinnter Aufklärer und Pädagoge wirkte und – wie bereits der Titel der Liedpublikation zeigt – auch die deutsche Sprache reformieren wollte. Wie zu jener Zeit üblich, enthält das Buch eine ganze Reihe von Liedern zu den einzelnen Jahreszeiten, aber nur Patzkes thematisiert alle vier Jahreszeiten zugleich und bringt sie mit dem menschlichen Lebenslauf in Verbindung.

IV. Popularisierend wirkte die Aufnahme des Gesanges in das "Mildheimische Liederbuch", das zwischen 1799 und 1837 elfmal im Druck erschien (Edition B). Herausgegeben wurde es von Rudolph Zacharias Becker (1752–1822), der sich besonders um die sogenannte "Volksaufkärung" bemühte. In diese Richtung ist möglicherweise auch die Veränderung der dritten Strophe zu deuten: Während im Liederbuch von 1782 nur von der Tugend die Rede ist, flicht das Mildheimische Liederbuch noch die "Kenntnisse zum Glück des Lebens" ein. Eingeordnet wurde der Gesang in die Rubrik "Die Herrlichkeit der Welt und aller Geschöpfe Gottes, die der Mensch um sich siehet, höret und genießet". Diese Rubrizierung macht deutlich, dass Ende des 18. Jahrhunderts Jahres- und Lebenslauf als Naturphänomene verstanden wurden, die sich der Weisheit und Schöpfergüte Gottes verdanken. Vertont wurde das Lied von Johann Adam Hiller (1728–1804) im dreistimmigen Satz.

V. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts endete die Rezeption des Liedes, gleichermaßen aus ästhetischen wie aus inhaltlichen Gründen: Insbesondere war der aufklärerische Natur- und Daseinsoptimismus, gepaart mit dem Aufruf zur Tugend, nicht mehr gefragt.

MICHAEL FISCHER
(August 2005 / Juni 2007)



Weiterführende Literatur
  • Gottfried Weissert: Das Mildheimische Liederbuch. Studien zur volkspädagogischen Literatur der Aufklärung. Tübingen 1966, bes. S. 47–59 (zu den Motiven "Natur" und "natürliche Religion"; S. 182 (Nachweis von Textdichter und Komponist).


Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: kaum Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: selten in Gebrauchsliederbüchern (nur in den Jahren 1780–1830)
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: —


Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Michael Fischer: Das Leben gleicht den Jahreszeiten (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/das_leben_gleicht_den_jahreszeiten/>.


© Deutsches Volksliedarchiv
last modified 12.09.2012 11:10
 

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